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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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Abreise mit ernster Miene eingebläut hatte.
    Fiona, bleib im Haus, solange ich fort bin. Die Welt dort draußen ist nichts für dich.
    Es tat ihr leid. Aber heute konnte sie nicht anders. Sie wollte, nein, sie musste mehr sehen von den großen, wilden, zauberhaften Wölfen, die eben jetzt durch den Johannisforst streiften. Unvorstellbar, jetzt im Forsthaus zu warten. Einmal noch auf Serafin reiten! Es konnte doch nicht alles einfach so vorbei sein. Das war schließlich auch ihre Nacht!
    Die Risse in ihrem Kleid mehrten sich. Der Nachtwind wehte kälter.
    Sie zitterte, hatte sich längst verlaufen. Doch all das hielt sie keinen Moment davon ab, weiterzugehen. Mit einer berauschenden Mischung aus Angst, Verzückung und unstillbarer Neugierde dachte sie an all die Geheimnisse, die sich im dichten Wald verbargen.
    Wie im Traum lief sie immer tiefer ins Unterholz hinein. Jedes Knarren der Bäume, jedes Rascheln im Laub kam ihr wie von Geisterhand erzeugt vor und jagte ihr wohlige Schauder über den Rücken. Sie fühlte sich in dieser Nacht nicht wie ein gewöhnliches Mädchen, sondern glaubte sich in einer der fantastischen, gefährlichen Geschichten, die sie so sehr liebte und die jetzt für sie zur faszinierenden Wirklichkeit geworden waren.
    Lange, sehr lange streifte sie durch den Wald, spürte weder Kälte noch Müdigkeit auf der Suche nach ihren drei Wölfen. Doch wie sollte sie sie finden? Wo waren sie? Was trieben sie? Sie gehörte doch zu ihnen – oder etwa nicht?
    Fiona stolperte über eine Wurzel und konnte den Sturz gerade noch abfangen. Ein verstauchter Knöchel war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte.
    Sie zuckte zusammen. Über ihr ein Luftzug, und schon vernahm sie ganz nah ein schauderliches Schuhuuu!
    Verdammt, machte sich der alte Uhu einen Spaß daraus, sie so zu erschrecken?
    Sie atmete tief durch. Weiter, sie musste weiter.
    Nun arbeitete sie sich etwas langsamer und umsichtiger durchs Dickicht. Etwa hundert Schritte weiter wurde es heller, das musste eine Lichtung sein. Etwas schien sie unwiderstehlich dorthin zu ziehen.
    Fiona hielt inne und lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Was war das? Ein seltsames, reißendes Geräusch, irgendwie bestialisch. Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken.
    Doch nicht etwa …?
    Je näher sie der Rodung kam, umso deutlicher konnte sie es hören. Ein Knurren, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    In diesem Moment trat der volle Mond groß und strahlend hinter einem Wolkenschleier hervor. Und da sah sie ihn.
    Lex. Mit gesträubtem Fell. Struppig und wild.
    Breitbeinig stand er über etwas, das leblos am Boden lag. Fiona kniff die Augen zusammen und schauderte. Sie erkannte den offenen Leib eines Rehbocks, aus dem der Rippenkranz wie ein blutiger, knöcherner Fächer ragte. Der mächtige Wolfskopf ruckte vor und zurück, die gierigen Reißzähne tief im Fleisch des Opfers vergraben. Zerrend, knurrend, schnaufend.
    Fiona stand starr. Bilder wirbelten in ihrem Kopf durcheinander, die nicht zusammenpassen wollten. Vor nicht einmal zwei Stunden war sie dabei gewesen, als sich Serafin, Lex und Carras in Werwölfe verwandelt hatten. In bewundernswerte Tiere, wild, aber edel und von einer urwüchsigen Schönheit, die sie fast zu Tränen gerührt hatte. Und jetzt, unmittelbar vor sich, sah sie, wie eines dieser anbetungswürdigen Geschöpfe wie eine blindwütige Bestie ein anderes Lebewesen geifernd in Stücke riss.
    Ein leichter Wind war aufgekommen. Und mit ihm wehte der Geruch des Todes über die Lichtung. Fiona versuchte den plötzlichen Würgereiz zu unterdrücken, der sie zu überfallen drohte.
    Der Wolf hatte sie in seinem Blutrausch noch nicht entdeckt. Das war eine kleine Chance. Sie musste hier weg.
    Fiona drehte sich sehr langsam um, setzte wie in Zeitlupe einen Fuß vor den anderen. Doch jäh stockte sie.
    Sie musste nicht zurückblicken. Sie wusste es auch so.
    Es war sehr still geworden auf der Lichtung. Und dafür gab es nur einen einzigen Grund. Lex hatte sie entdeckt.
    Als sie den Kopf wandte, blickte der Wolf starr in ihre Richtung. Er hatte mit hoch aufgerichteter Rute, die Schnauze erhoben, Witterung aufgenommen. Es schien, als hätte er eine Vorderpfote angewinkelt, wie ein Jagdhund, der den Angstschweiß der Wildbeute riecht , um unmittelbar darauf loszustürmen.
    Das tat auch der Werwolf.
    Als Fiona ihn auf sich zupreschen sah, war das für sie ganz und gar nicht mehr Lex, sondern ein tollwütiges Untier, das es allein

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