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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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auf sie abgesehen hatte. Sie stand wie gelähmt, während die nackte Angst sie in einen eisernen Schraubstock presste und ihr den Atem nahm.
    Nach wenigen Sätzen hatte der Werwolf sie erreicht. Die Bestie hatte sich auf seinen Hinterläufen hoch vor Fiona aufgerichtet und sie mit einem schaurigen Aufheulen umgeworfen. Sie hörte es kaum. Sie spürte auch kaum, wie sich stacheliges Gestrüpp in ihren Rücken bohrte und Arme und Hände zerkratzte. Sie nahm nur das riesige Geschöpf über sich wahr, das mit bebenden Flanken über ihr stand, das aufgerissene Maul dunkelrot glänzend im Mondlicht. Sie war ihm machtlos ausgeliefert.
    Es war allein ihre Schuld. Sie hatte von niemandem Hilfe zu erwarten.
    Als ihr das klar wurde und ein Gefühl vollkommener Hilflosigkeit sie überrollte, dem sie nichts entgegenzusetzen hatte, begann sie leise zu schluchzen. Ihre Tränen flossen unaufhaltsam, und es dauerte eine ganze Weile, bis ihr klar wurde , dass das unheilvolle Knurren über ihr verstummt war.
    Es schien, als ob das Tier sie mit einer seltsamen Mischung aus Argwohn und Überraschung betrachtete. Fiona atmete tief durch, nahm all ihren Mut zusammen.
    »Lex … Du bist doch Lex …«, flüsterte sie. »Erkennst du mich denn nicht …?«
    Vorsichtig erhob sie ihre Hand und legte sie behutsam an die Seite des Wolfkopfes über ihr. Das Fell fühlte sich feucht und klebrig an. Fiona unterdrückte den Versuch, zurückzuzucken. Sanft strich sie darüber.
    »Ist ja gut … Ist ja schon gut«, hauchte sie.
    Da spürte sie, wie der Wolf – oder war es Lex? – seinen Kopf kaum merklich in ihre Hand schmiegte …
    In grenzenloser Erleichterung zog sie den Kopf des riesigen Tieres ganz nah zu sich. Der metallene Geruch nach Blut stieg ihr in die Nase, doch das störte sie nicht. Denn auf einmal fuhr eine raue Zunge über ihr Gesicht. Sie wagte nicht, sich zu rühren.
    Und dann spannte sich der Körper des Werwolfs, er schnellte herum und verschwand in der Dunkelheit.
    Verblüfft richtete sie sich auf, da vernahm auch sie das Winseln. Sie kroch zu dem dichten Gestrüpp, das ihr die Sicht versperrte, bog die Zweige zur Seite und erkannte die Schemen zweier Wölfe, von denen der eine, er war deutlich kleiner, aufgeregt um den anderen – wahrscheinlich Lex – tänzelte. Und schon jagten die beiden nebeneinander durch den Wald davon.
    Der Mond, der bis dahin groß und strahlend alles ins rechte Licht gesetzt hatte, verzog sich hinter eine Wolkenbank. Das Schauspiel war vorerst zu Ende.
     
    *
     
    »Zwieker, wir schließen jetzt!«, wiederholte die Wirtin gereizt. Benommen sah sich der Trunkenbold um. Er war der Einzige, der noch in der Kneipe saß.
    »Ach komm, Susanne, Susi, ein Schnäpschen noch, dann mach’ ich mich vom Acker!«
    Er lächelte die großen Brüste der Wirtin an.
    »Das hast du schon zweimal gesagt und zweimal hab’ ich dir nachgeschenkt! Wir schließen. Jetzt!«
    »Bitte, Susannchen, ich …«, lallte er.
    »Zwieker! Muss ich wirklich meinen Mann wecken, damit er dich vor die Tür setzt?«
    Wütend sprang er auf, wobei er seinen Schemel umstieß, der laut auf den Boden knallte. »Wie redest du mit mir, du Miststück? Guckst auf mich runter – aber für meine Kohle bist du dir nicht zu schade!«
    Die Wirtin ging nicht auf die Beleidigung ein, sondern deutete mit stummer Entschiedenheit auf die Tür nach draußen.
    Er zögerte, aber als sie weiterhin keine Miene verzog, griff er nach der halb vollen Schnapsflasche, die noch auf dem Tresen stand. »Schon kapiert! Ich verschwinde. Aber die hier nehm’ ich mit.«
    »Ich setz’ es dir auf die Rechnung. Bis morgen«, seufzte Susanne.
    Schwerfällig wankte er aus der Dorfschenke. Kaum war er draußen, knallte die Wirtin die Holztür hinter ihm zu und verschloss geräuschvoll die Kneipe.
    »Frechheit«, brüllte Zwieker und trat gegen die Tür, wobei er das Gleichgewicht verlor und unsanft auf die Straße fiel. Verwirrt sah er sich um. Das grelle Mondlicht entblößte die Risse und den grünlichen Schimmelpilz an der Schranktür.
    »Drecksbude!«, schimpfte Zwieker und musste sich erst zwei, drei kräftige Schlucke Schnaps genehmigen, ehe es ihm gelang, sich aufzurichten.
    Unschlüssig glotzte er in die Nacht. Was nun? Er wollte nicht nach Hause. Dort saß jetzt Rosa und wartete auf ihn. Er konnte ihr vorwurfsvolles Gehabe nicht ertragen.
    Ziellos schwankte er durch die engen Gassen. Hauptsache weg von Rosa! Das Weib war in letzter Zeit unerträglich. Ihre

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