Dreimond - Das verlorene Rudel
ein.
Lex sprang mit einem Satz von dem Gefährt und stellte sich neben sie.
»Keine Sorge. Das sind bloß Wegelagerer!«
»Ach so, bloß Räuber! Wie beruhigend«, zischte Fiona. Schon presste sich auch Carras an ihre Seite. Sie standen mit dem Rücken am Karren und fixierten den muskelbepackten Kleinen, den dunklen Riesen, den Alten und den Rotschopf.
Die vier traten zur Seite und machten einem fünften Mann Platz, der gemächlich aus dem Wald auf sie zuschritt – unbewaffnet, die linke Hand lässig zum Gruß erhoben.
Es war ein großer Kerl mit weißblondem Haar, weißblonden Bartstoppeln und hellen, beinahe unsichtbaren Augenbrauen, die seinem Gesicht etwas Unnatürliches verliehen. Den kleinen, schmallippigen Mund hatte er zu einem spöttischen Grinsen verzogen.
»Gut gemacht, Utz«, lobte er im Vorbeigehen den kichernden Alten, ehe er sich gebieterisch an Lex, Carras und Fiona wandte. »Fremde! Mein Name ist Bosco, das sind meine Männer und wir sind arme Leute. Also her mit eurem Hab und Gut, sonst setzt es was!«
»Den Auftritt hättest du dir sparen können«, schnaubte Lex. »Gar nichts kriegst du!«
Ungläubig starrte Fiona von Lex zu dem Kerl, der sich Bosco nannte.
»Pass auf, was du sagst!«, krakeelte der Kleine und hob drohend sein Messer.
»Genau!«, rief der Rotschopf. »Ein bisschen mehr Respekt vorm Hauptmann!«
»Schon gut, Jungs«, meinte Bosco unbeirrt. Er lächelte, doch auf seiner Stirn pochte eine Zornesader. »Die wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben.«
»Ihr habt unseren Wagen ruiniert!«, knurrte Lex. »Verschwindet lieber und behelligt uns nicht weiter!«
»Du wagst es …«
Schon wollte sich einer der Kerle auf Lex stürzen, als sich Fiona vor den Wolfsmann stellte.
»Halt! Stopp! Moment mal!«
Verdutzt starrten die Männer sie an. Mit einem Protest von ihrer Seite hatte wohl niemand gerechnet.
»Tja, also …« Sie räusperte sich, als auf einmal alle Blicke auf ihr ruhten. »Herr, äh, Bosco! Es ist so, wir haben es wirklich eilig und ihr habt ganz ehrlich nichts davon, uns auszurauben. Außer einem alten Gaul, und einem dank dem da …«, sie deutete auf den haarigen Riesen, »… unbrauchbaren Kartoffelkarren ist bei uns wirklich rein gar nichts zu holen. Also wäre es doch am klügsten … friedlich auseinanderzugehen.«
Für einen Moment herrschte ungläubige Stille. Sie glaubte schon, die anderen mit ihrer Ansprache überzeugt zu haben, als Bosco laut loslachte.
» Für wie dumm hältst du mich, du freches Gör?«, fuhr er sie unvermittelt an. »Ein Kartoffelkarren abends im Wald, fernab von jedem Feld? Und ihr alle tragt die feinsten Kleider! Mich könnt ihr nicht täuschen! Unter den Kartoffeln, da versteckt ihr doch was!«
Ein Fingerzeig vom Hauptmann, der kleine Muskelprotz sprang auf den schiefen Karren, zerbrach die hölzerne Absperrung und die letzten Kartoffeln kullerten zu Boden. Boscos schmale Lippen zuckten, als er auf den leeren Wagen starrte, auf dem nur noch ein paar Decken lagen. Ein Raunen ging durch die Runde der Räuber.
» Schmitz, klopf den Wagen ab!«, brüllte der Hauptmann.
Der Kleine gehorchte.
»Hier ist nichts!«, rief er nach getaner Arbeit.
Da sprang der Anführer wie von der Tarantel gestochen auf den Karren zu, klopfte ein zweites Mal alles ab, wühlte in den Decken, suchte nach einem verborgenen Geldversteck – vergebens.
»Dann können wir ja gehen, oder?«, sagte Fiona trocken. Bosco fuhr herum und stürmte auf sie zu. »Göre! Wo sind die Kostbarkeiten?«
Da hatte Lex ihm schon den Weg abgeschnitten, drückte mit der Linken Boscos zum Schlag erhobene Faust beiseite, packte ihn mit der Rechten am Kragen und schleuderte ihn mit einem Schlag zu Boden.
Wie auf Kommando preschten Boscos Männer mit gezückten Waffen los.
»Achtung«, rief Fiona und flüchtete auf den Karren, als der kleine Muskelprotz sein Messer in Lex’ Bauch rammen wollte. Doch der Wolfsmann wich aus, umfasste die Hand des Angreifers und verdrehte sie ruckartig. Der Kerl ließ mit einem Schmerzensschrei sein Messer fallen und wollte mit der Linken nach seiner Waffe greifen. Da schleuderte ihm Lex mit Wucht seinen Ellbogen gegen die Schläfe. Der Angreifer taumelte und sackte in sich zusammen.
Plötzlich musste Fiona an Carras denken und wirbelte herum. Carras rang mit dem Alten, der zielstrebig, flink und alles andere als gebrechlich seinen Dolch schwang. Doch Carras war nicht mehr das Kind von vorhin. Er wirkte eher wie ein Tier, als er
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