Dreizehn Stunden
…«
Dekker zwängte sich ins Bad. Er sah Alexa Barnard auf dem Boden liegen. Er trat in das Blut und drehte die nackte Frau um.
Ihre Augen waren geöffnet, ihr Blick war jedoch vollkommen apathisch.
|94| »Den Notarzt!«, rief er. »Schnell!«
Er bückte sich und sah sich die Bescherung an. Ihr linker Unterarm wies tiefe Schnitte auf, mindestens drei. Das Blut floss
immer noch. Er griff nach dem nächstbesten Kleidungsstück auf dem Boden und begann, es um die Wunde zu wickeln so fest er
konnte.
Alexa sagte etwas zu ihm, kaum hörbar.
»Mevrou …«, sagte er.
»Der andere Arm«, flüsterte sie.
»Wie bitte?«
»Schneiden Sie den anderen Arm auf, bitte«, sagte sie und hielt ihm mit matter Hand die Glasscherbe hin.
Rachel löschte ihren Durst und wusch sich das Blut von Händen, Armen und Gesicht. Dann stand sie auf, drehte den Hahn zu und
atmete tief durch. Die Stadt lag nicht weit unterhalb.
Sie bog um die Ecke des Hauses, ein wenig ruhiger jetzt. Das Wasser hatte ihre Angst gemildert.
Doch dann sah sie sie, nur zwanzig Schritte entfernt, auf der Straße. Sie erstarrte und ihr stockte der Atem. Sie standen
mit dem Rücken zu ihr, nebeneinander. Sie erkannte sie.
Sie stand da wie versteinert, hörte das ohrenbetäubende Klopfen ihres Herzens.
Sie blickten die abfallende Straße hinunter. Einer drehte den Kopf, sagte etwas. Würde er sie entdecken?
Doch er drehte sich wieder um, blickte geradeaus.
Rachel ging einen Schritt zurück, dann noch einen. Sie schauten immer noch den Berg hinunter. Die Garage. Mit den Holzblöcken.
Dort musste sie hinein. Fünf Schritte hinter ihr. Ihre Angst war zu groß, um den Blick von ihnen abzuwenden. Vorsichtig ging
sie rückwärts, voller Furcht, über irgendetwas zu stolpern. Wenn sie sich bloß nicht umsahen! Sie war seitlich neben der Garage,
nur noch ein Schritt. Und dann begann der eine sich umzudrehen. Der, der sich mit dem Messer über Erin gebeugt hatte.
|95| 10
Im Frühstückraum des Cat & Moose Youth Hostel and Backpacker’s Inn saß der neunzehnjährige Oliver »Ollie« Sands, den Kopf
in die Hände gestützt. Er war leicht übergewichtig und rothaarig. Seine weiße Haut hatte zu viel Sonne abbekommen und seine
Brille mit der eckigen, schwarzen Fassung lag vor ihm auf dem Tisch. Ihm gegenüber, nahe der Tür, saßen die Inspekteurs Vusumuzi
Ndabeni und Bennie Griessel.
»Mr Sands hat das Opfer als Miss Erin Russel identifiziert«, sagte Vusi auf Englisch, das Foto der Ermordeten und sein Notizbuch
vor sich auf dem Tisch.
»Mein Gott!«, jammerte Sands und schüttelte den Kopf hinter den Händen.
»Er war zusammen mit Miss Russel und ihrer Freundin, Rachel Anderson, auf einer Rundreise durch Afrika unterwegs. Er weiß
nicht, wo sich Miss Anderson aufhält. Zum letzten Mal hat er sie gesehen, als sie gestern Abend im Van Hunks waren, dem Nachtclub
in der Castle Street.« Vusi blickte Sands an und wartete auf eine Bestätigung.
»Mein Gott«, sagte der junge Mann, ließ die Hände sinken und griff nach seiner Brille. Griessel sah, dass seine Augen gerötet
waren.
»Mr Sands, Sie sind gestern in Kapstadt eingetroffen?«
»Ja, Sir. Wir kamen aus Namibia.« Sein amerikanischer Akzent war unüberhörbar, seine Stimme brüchig vor Erschütterung. Sands
setzte die Brille auf und blinzelte, als sähe er Vusi zum ersten Mal.
»Waren Sie nur zu dritt?«, fragte Griessel.
»Nein, Sir, wir waren einundzwanzig Personen. Sogar dreiundzwanzig, als wir in Nairobi aufgebrochen sind. Aber ein Junge und
ein Mädchen aus den Niederlanden sind in Daressalam ausgestiegen. Sie … Ihnen hat es nicht gefallen.«
|96| »Eine Rundreise?«, hakte Griessel nach.
»Ja, die African Adventure Tour. Über Land, mit einem Lastwagen.«
»Sie und die beiden Mädchen sind zusammen unterwegs gewesen?«
»Nein, Sir, ich habe die beiden erst in Nairobi kennengelernt. Sie kommen aus Indiana, ich aus Phoenix, Arizona.«
»Aber Sie waren gestern Abend mit ihnen zusammen?«
»Wir sind mit einer ganzen Gruppe in den Club gegangen.«
»Wie viele waren Sie insgesamt?«
»Ich weiß nicht … Vielleicht zehn Leute, ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Aber die beiden Mädchen waren dabei?«
»Ja, Sir.«
»Was ist im Club passiert?«
»Wir haben uns amüsiert. Ganz normal …« Sands nahm wieder die Brille ab, rieb sich die Augen. »Wir haben etwas getrunken,
ein bisschen getanzt …« Er setzte die Brille wieder auf.
Diese Geste machte Griessel
Weitere Kostenlose Bücher