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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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sein Gegenüber die Brille wieder aufgesetzt hatte. Dann neigte er sich nach vorn. »Ich glaube nicht, dass Sie
     mir alles gesagt haben.«
    »Doch habe ich, ehrlich.« Dabei fasste Sands wieder an die Brille und verrückte sie.
    Bennie hatte gesagt, er solle ihn einschüchtern. Er wusste nicht, ob er darin sehr überzeugend sein konnte. Er zog ein Paar
     Handschellen aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
    »Zellen sind keine angenehmen Orte.«
    Sands blickte die Handschellen an. »Bitte nicht!«, sagte er.
    »Ich möchte Ihnen helfen.«
    »Das können Sie nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Mein Gott …«
    »Mr Sands, bitte stehen Sie auf und legen Sie die Hände auf den Rücken.«
    »Oh, nein!« Oliver Sands seufzte und stand langsam auf.
    »Sind Sie bereit, mit mir zu reden?«
    Sands blickte Vusi an. Ein Schauder überlief ihn, dann setzte er sich langsam wieder hin.
    »Ja.«

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    Griessel fuhr die Loopstraat hinunter in Richtung Hafen. Er wäre besser in die Breestraat eingebogen, denn auf dieser Strecke
     war der Verkehr viel zu dicht: nervtötend langsam daherschleichende Autos, Fußgänger, die unvermittelt die Straße überquerten,
     ortsansässige Wagehälse und Touristen aus Gauteng. Letztere waren unverkennbar. Das war jetzt die zweite Welle, die erste
     war die Schulferien-Brigade gewesen, unerträglich arrogante Leute, die glaubten, sie seien ein Gottesgeschenk für das Kap,
     in der Regel Familien mit mürrischen, handybewehrten Teenagern. Mutter kaufte die Läden leer, und Vater kannte sich nicht
     aus, ein notorisches Verkehrshindernis. Die zweite Welle rollte im Januar an, die reichen Knacker, die erst in Sandton ihren
     Weihnachtsgewinn eingefahren hatten und ihr Geld ein paar Wochen später mit großer Verbissenheit und Überheblichkeit am Kap
     unters Volk brachten.
    Er sah kleine Gruppen von Touristen, Europäer: derart gesetzestreu, dass sie die Straße nur an Ampeln überquerten, die Nase
     in Reiseführern, die teure Kamera immer im Anschlag. Er blieb stehen, überall nur rote Ampeln. Wieso konnte die Metro-Polizei
     nicht mal den Hintern in Bewegung setzen und die Dinger synchronisieren?
    Das erinnerte ihn daran, dass er den Feldmarschall anrufen musste – Oerson. Um nachzuhören, ob sie etwas gefunden hatten.
     Nein, er musste Vusi daran erinnern, sich zu erkundigen. Es war Vusis Fall. Ungeduldig trommelte Griessel mit den Fingern
     auf dem Lenkrad herum. Er erkannte, dass es der Rhythmus von »Süßwasser« war, und konnte die Stimme seines Gewissens nicht
     länger ignorieren. Er hätte es kommen sehen müssen.
    Sie hatte ihm erzählt, dass sie sich manchmal vorstellte, Selbstmord zu begehen. »So dass Adam, wenn er um halb sieben nach |106| Hause kommt und die Treppe raufgeht, mich finden muss. Dann würde er sich zu mir beugen und sagen: ›Du bist die Einzige, die
     ich je geliebt habe.‹ Aber tot sein und Adams Zerknirschung sehen, das ließ sich einfach nicht unter einen Hut bringen.«
    Er schüttelte den Kopf. Wie hatte er das nur übersehen können? Es lag daran, dass er so früh aufgestanden war, eine Stunde
     früher als sonst, dass er heute nicht richtig bei der Sache war. Und dann hatte er ihr auch noch Alkohol gegeben! Er, der
     große Mentor, der »schon vergessen hatte, was die anderen noch lernen mussten«.
    Er suchte nach mildernden Umständen. Die Art, wie Alexa es gesagt, und die Geschichte, die sie danach erzählt hatte, hatten
     ihn abgelenkt und ein falsches Bild geschaffen, nämlich von einer Frau, die auf ihre Art alles unter Kontrolle hatte. Sie
     hatte ihn manipuliert, als er »Süßwasser« flüsterte und sie ihm ihr Glas wieder hinhielt – der Tribut für ihre Geschichte.
    Er hatte nur ihren Durst gesehen, das war das verdammte Problem. Er hatte ihr zwei Fingerbreit eingeschenkt, und sie hatte
     die Haare aus dem Gesicht gestrichen und gesagt: »Ich war so ein schrecklich unsicheres kleines Ding.« Ihre Geschichte führte
     weg vom Thema Selbstmord und faszinierte ihn. Doch er hatte nur die Worte gehört, die deutliche Ironie in ihrer Stimme, den
     Spott, als sei ihre Geschichte nur eine Parodie ihres Lebens.
    Sie war das einzige Kind eines Bankangestellten und einer Hausfrau. Alle drei, vier Jahre war die Familie wegen der Versetzungen
     des Vaters umgezogen – Parys, Potchefstroom, Port Elizabeth und endlich Bellville, das den P-Rhythmus durchbrochen hatte.
     Bei jedem Umzug hatte sie kaum geschlossene Freundschaften

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