Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
Apparat herunter,
     so dass er sich aufrichten und die Füße aus dem Bett schwingen musste, um ihn aufzuheben.
    »Was ist?«, fragte seine Frau neben ihm verschlafen.
    »Daddy?«, hörte er, als er das Telefon aufhob. Er hielt es ans Ohr.
    »Baby?«
    »Daddy!«, sagte seine Tochter Rachel, dreizehntausend Kilometer von ihm entfernt, und dann fing sie an zu weinen.
    Bill Andersons Magen krampfte sich zusammen; mit einem Schlag war er hellwach. »Schätzchen, was ist denn?«
    »Erin ist tot, Daddy.«
    »Oh, mein Gott, was ist denn passiert?«
    »Daddy, du musst mir helfen. Die wollen mich umbringen!«
     
    Links von ihr befand sich ein großes Fenster zur Montrosestraat, vor ihr war die Delikatessentheke, an der sich drei farbige
     Frauen vielsagend ansahen, als sie ihre Worte hörten.
    »Schätzchen, bist du dir da ganz sicher?«, fragte ihr Vater, seine Stimme so schrecklich nah.
    »Sie haben ihr letzte Nacht die Kehle durchgeschnitten, Daddy. Ich hab’s gesehen!«, sagte sie schluchzend.
    |129| »Oh, mein Gott!«, wiederholte Bill Anderson. »Wo bist du?«
    »Ich habe nicht viel Zeit, Daddy. Ich bin in Kapstadt. Die Polizei, ich kann nicht mal zur Polizei gehen …« Rachel hörte,
     wie draußen Reifen auf dem Teer quietschten. Sie sah aus dem Fenster. Ein neuer, weißer Land Rover Defender stand draußen.
     Die Insassen kannte sie nur allzu gut.
    »Sie sind da, Daddy, bitte hilf mir!«
    »Wer ist da? Wer hat Erin umgebracht?«, fragte ihr Vater drängend, aber Rachel hatte gesehen, wie die beiden aus dem Land
     Rover sprangen und auf die Tür des Restaurants zurannten. Sie warf den Hörer weg und flüchtete durch den Laden, vorbei an
     den verstummten Frauen an der Theke und auf eine weiße Holztür im Hintergrund zu. Sie stieß sie heftig auf. Kurz bevor sie
     hinausrannte, hörte sie den Mann in der weißen Schürze laut »Hey!« rufen. Sie befand sich in einem langen, engen Gang zwischen
     dem Gebäude und einer hohen weißen Mauer, die oben mit scharfen Glasscherben gesichert war. Der einzige Fluchtweg befand sich
     am Ende des Ganges auf der rechten Seite – noch eine Holztür. Sie rannte, und die furchtbare Angst war wieder da.
    Wenn die Tür verschlossen war …
    Ihre Schritte in den Sportschuhen hallten laut in dem engen Gang wider. Rachel zerrte an der Tür. Sie gab nicht nach. Hinter
     ihr hörte sie die Restauranttür aufgehen. Sie blickte sich um. Sie sahen die Männer, beide. Sie konzentrierte sich auf die
     Tür vor ihr. Ein Drehschloss. Sie entriegelte es. Ein Angstlaut drang aus ihrem Mund. Sie riss die Tür auf. Die Männer waren
     zu nah. Sie schlüpfte durch die Tür, schlug sie hinter sich zu, hörte ihre Schritte, nur wenige Meter von ihr entfernt. Sie
     sah die Straße vor sich. Fast zu spät bemerkte sie, dass die Tür auf dieser Seite einen Riegel hatte, kehrte um und hörte
     sie schon mit dem Drehschloss auf der anderen Seite hantieren. Ein Schmerzstich fuhr ihr in den Arm, als sie den schwer beweglichen
     Riegel vorschob und von außen die Tür verschloss. Innen rüttelten die Männer an der Tür.
    »Mistkuh!«, schrie der eine.
    Sie rannte die vier Zementstufen hinauf. Sie gelangte auf die Straße, rannte weiter, nach links, das lange Gefälle der Bo-Oranjestraat
     hinunter. Sie hielt nach einem Fluchtweg Ausschau, denn |130| sie waren zu nahe, selbst wenn sie wieder zum Vordereingang des Restaurants hinausmussten. Sie waren ihr jetzt wieder so dicht
     auf den Fersen wie letzte Nacht, kurz bevor sie Erin erwischt hatten.
     
    Bill Anderson stürmte die Treppe seines Hauses hinunter in sein Arbeitszimmer, dicht gefolgt von seiner Frau Jess.
    »Erin ist ermordet worden?«, fragte sie.
    »Liebes, wir müssen jetzt die Ruhe bewahren.«
    »Ich bin ruhig, ich möchte nur wissen, was los ist.«
    Anderson blieb unten stehen, wo die Treppe in die Eingangsdiele mündete, und drehte sich um. Er legte seiner Frau die Hände
     auf die Schultern. »Ich weiß auch nicht genau, was los ist«, sagte er beherrscht und langsam. »Rachel hat gesagt, dass Erin
     ermordet wurde. Sie hat gesagt, sie sei noch in Kapstadt … und sie sei in Gefahr.«
    »Oh, Gott!«
    »Aber wenn wir ihr irgendwie helfen wollen, müssen wir ruhig bleiben.«
    »Was können wir denn nur tun?«
     
    Der junge Mann mit der Schürze sah, wie die beiden Männer, die hinter dem Mädchen her gewesen waren, durch den Carlucci’s
     Quality Food Store zurückgerannt kamen. Wieder schrie er »Hey!« und stellte sich ihnen in den Weg.

Weitere Kostenlose Bücher