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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Abends hatte er auf dem Teppich mit seinen Kindern
     gespielt, und nachts lag er eng an seine Frau geschmiegt. Sie hatten geredet, gelacht und sich mit herzzerreißender Selbstverständlichkeit
     geliebt, voller Sorglosigkeit, weil die Zukunft ein unvorhersehbares Utopia war, auch wenn sie arm waren, auch wenn sie jedes
     Möbelstück auf Pump gekauft hatten, ebenso wie das Auto und das Haus. Doch dann wurde er zur Mordkommission versetzt, und
     da schlüpfte ihm die Zukunft zwischen den Fingern hindurch, entwand sich ihm, nach und nach, jeden Tag ein Stückchen mehr,
     so allmählich, dass er es gar nicht bemerkte, so subtil, dass er dreizehn Jahre später aus dem Vollsuff erwachte und begriff,
     dass sie weg war.
    Und sie war unwiederbringlich verloren. Das war das Schlimme. Man konnte die Zeit nicht zurückdrehen und einfach in sein früheres
     Leben zurückkehren. Die Menschen von damals, die Umstände existierten nicht mehr. Wie O’Grady, Theal und Vos. Man musste wieder
     von vorn anfangen, diesmal jedoch ohne |141| die frühere Naivität, die Unschuld und den Optimismus von früher, ohne den Rausch der Verliebtheit. Man hatte sich verändert,
     und man musste sich damit abfinden, wie man jetzt war, mit all dem Wissen, der Erfahrung, der realistischen Einstellung und
     der Ernüchterung.
    Und er fragte sich, ob das überhaupt möglich war. Er wusste nicht, ob er die Energie aufbringen würde, zurückzukehren und
     sich tagtäglich vor einer strengen Jury zu verantworten. Anna würde ihn mit Adleraugen beobachten, wenn er abends nach Hause
     kam: Wo war er gewesen? Roch er nach Alkohol? Wirkte er betrunken? Und er würde mit diesem Wissen das gemeinsame Haus betreten
     und sein Bestes tun, um zu beweisen, dass er nüchtern war. Er würde ein bisschen duckmäusern, er würde ihre ängstliche Anspannung
     erkennen, bis sie feststellte, dass er wirklich nüchtern war, und sich allmählich entspannte. Er hatte das Gefühl, dass ihm
     das schwerfallen würde, dass es ihm zu viel wäre. Er war noch nicht bereit, sich ernsthaft der Frage zu stellen, ob er das
     aushalten würde.
    Dazu kam noch, dass er in den vergangenen zwei, drei Monaten allmählich Gefallen an seinem neuen Leben gefunden hatte, der
     spartanischen kleinen Wohnung und den Besuchen der Kinder, bevor Carla nach London gegangen war. Sie hatten in seinem kleinen
     Wohnzimmer oder in einem Restaurant zusammengesessen wie drei Erwachsene, drei … Freunde, die sich unterhielten, unbelastet
     von den Regeln und Gepflogenheiten einer konventionellen Familie. Er hatte an der Stille Gefallen gefunden, wenn er zur Haustür
     hereinkam: niemand, der ihn beurteilte und begutachtete. Er konnte einfach den Kühlschrank öffnen, eine Zweiliterflasche Orangensaft
     herausnehmen und direkt daraus trinken, lange und in tiefen Zügen. Er konnte sich mit Schuhen auf das Sofa legen, bis sieben
     Uhr ein Nickerchen machen und sich dann auf der Engen op Annadalestraat bei Woolies Food ein Sandwich und eine kleine Flasche
     Ingwerbier kaufen. Oder sein Lieblingsessen, einen Riesenburger bei Steers. Und beim Essen konnte er mit zwei Fingern eine
     E-Mail an Carla schreiben, hin und wieder unterbrochen von einem Bissen Burger oder einem Schluck aus der Flasche. Oder auf
     der Bassgitarre herumzupfen |142| und seinen Träumen nachhängen. Oder der über siebzigjährigen Charmaine Watson-Smith von Nummer 106 die Schüssel zurückgeben,
     in der sie ihm Essen gebracht hatte. »Ach, Bennie, Sie brauchen mir doch nicht zu danken, Sie tun doch so viel für mich. Sie
     sind mein Polizist.« Trotz ihres Alters waren ihre Augen so lebendig, und ihr Essen war jedes Mal großartig.
    Charmaine Watson-Smith hatte ihm Bella geschickt, und er hatte mit ihr geschlafen, obwohl er wahrhaftig kein Frauenheld war.
     Aber es war unglaublich gewesen, einfach wunderschön.
    Doch alles hatte seinen Preis.
    Denn Anna wusste womöglich von Bella. Anna, die heute Abend eventuell zu ihm sagen würde, er sei vielleicht nüchtern, aber
     ein treuloser Schuft und sie wolle ihn nicht mehr haben.
    Er wünschte sich, dass Anna ihn zurückhaben wollte. Er suchte ihre Anerkennung, er suchte ihre Liebe und ihre Zärtlichkeit
     und den sicheren Hafen ihres gemeinsamen Hauses. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob er zu diesem Zeitpunkt zu ihr zurückkehren
     sollte.
    Warum konnte das Leben nicht einfach sein?
    Dann hatte er die Buitenstraat erreicht, fand nirgendwo einen Parkplatz und die Gegenwart war mit einem

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