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Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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aufgeschlagenen Eiweiß, zog sie unter und gab etwas von der
     Mischung in die Pfanne. Gebratene Speckstückchen warteten neben einem Teller mit geriebenem Käse. Er stellte die Pfanne auf
     eine Gasflamme.
    Obwohl er allein sei, decke er immer für zwei, erzählte er, seit dem Tod seiner Frau. Nein, eigentlich schon früher, als sie
     krank war, da habe er die alte Gewohnheit beibehalten, auch wenn sie bettlägerig war. Auf diese Weise habe er sich weniger
     allein gefühlt. Jetzt betrachte er es als großes Glück, dass jemand bei ihm am Tisch sitze. Sie möge bitte entschuldigen,
     wenn er so viel rede, er habe nicht oft Gesellschaft. Er habe nur seine Bücher, sie seien ihm zu Gesprächspartnern geworden.
     Wann sie zum letzten Mal etwas gegessen habe?
    Sie musste nachdenken. Gestern Nachmittag, antwortete sie und dachte an die Riesenburger, die sie gegen vier Uhr in einem
     Imbiss gegessen hatten, der fast aussah wie die amerikanischen Diner der sechziger Jahre. »Was für eine Bruchbude«, hatte
     Erin gemeckert, und an dieser Stelle schottete Rachel ihr Gedächtnis ab, denn sie wollte sich nicht daran erinnern.
    Ihr Gastgeber verteilte Speck und Käse auf dem Omelett, öffnete die Ofenklappe, nahm die Pfanne von der Gasflamme, stellte
     sie vorsichtig hinein und schloss die Klappe. Er drehte sich wieder zu ihr um. »Ein Omelett fällt schnell in sich zusammen,
     wenn man nicht aufpasst«, erklärte er. Er sah, dass ihr Glas leer war, und schenkte ihr von dem Saft nach. Sie sagte »Danke«,
     begleitet von einem kurzen, aufrichtigen Lächeln.
    Dann trat ein Schweigen ein, das sich aber nicht unbehaglich anfühlte.
    »Ihre Bücher?«, fragte sie, um das Schweigen zu durchbrechen, aus Höflichkeit, aus Dankbarkeit.
    Er erzählte, er sei Historiker gewesen. »Aber jetzt bin ich nur noch ein alter Mann mit zu viel Zeit. Mein Sohn ist Arzt und
     lebt in Kanada. Er mailt mir regelmäßig und rät mir, weiter zu arbeiten, ich hätte noch viel zu geben.«
    Er bückte sich, sah in den Ofen und sagte: »Fast fertig. Ich |266| schreibe an einem Buch. Ich habe mir vorgenommen, dass es mein letztes wird. Es handelt vom Wiederaufbau Südafrikas nach dem
     Zweiten Freiheitskrieg, dem Burenkrieg. Ich schreibe es für meine Leute, die Afrikaner, damit sie erkennen, dass sie dasselbe
     durchgemacht haben wie die Schwarzen heute. Auch sie waren unterdrückt, auch sie waren bettelarm, heimatlos, am Boden. Aber
     auch sie sind durch positive Diskriminierung wieder erstarkt. Und durch wirtschaftliche Inbesitznahme. Die Parallelen sind
     vielfältig. Die Engländer beschwerten sich über Behörden, die auf einmal nicht mehr richtig funktionierten, weil sie von unfähigen
     Afrikanern übernommen worden waren …«
    Mit Topflappen in den Händen öffnete er die Ofentür. Das Omelett war in der Pfanne hoch aufgegangen und der Käse geschmolzen.
     Der Duft stieg ihr in die Nase, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Mit einem Spatel schob er das Omelett auf einen
     schneeweißen Teller, klappte es geschickt zusammen und brachte es ihr.
    »Catsup?«, fragte er mit schalkhaft funkelnden Augen hinter den großen runden, goldgefassten Brillengläsern. »So nennt ihr
     das doch, oder? Wir haben hier so etwas Ähnliches.«
    »Nein, danke, das sieht köstlich aus!«
    Er schob ihr Salz und Pfeffer zu und erklärte, er habe verlernt, Salz zu benutzen, weil er auf Anraten seines Sohnes keins
     mehr verwende, und sein Geschmackssinn habe ohnehin nachgelassen. Deshalb könne es sein, dass das Omelett zu wenig gewürzt
     sei.
    »Das Problem bei Omelett ist, dass ich immer nur eins auf einmal zubereiten kann. Fang ruhig schon mal an, während ich meines
     mache.«
    Wieder wirtschaftete er am Herd herum. Sie griff nach Messer und Gabel, schnitt das luftige Ei an und führte einen Bissen
     zum Mund. Ihr Hunger war überwältigend, und das schmelzzarte Gericht schmeckte wirklich köstlich.
    »Aber es wird auch ein Buch für die Schwarzen«, fuhr der ehemalige Historiker fort. »Die Afrikaner haben sich wieder regeneriert,
     eine bemerkenswerte Leistung. Doch dann haben sie ihre Macht missbraucht. Und jetzt gibt es Anzeichen dafür, dass die schwarze
     Regierung ebenfalls dazu neigt. Ich befürchte allerdings, |267| sie begeht dieselben Fehler wie ihre Vorgänger. Das wäre zu schade! Unser Land hat ein so großes Potential, erstklassige,
     gut ausgebildete Leute, die nur ein Ziel haben: ihren Kindern eine Zukunft ermöglichen. Und zwar hier, nicht

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