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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Badewanne, fast zähflüssig, die Wellen |72| werden erst später kommen, zusammen mit dem Wind, und da hört man einen Motor, schon von weitem, und als er immer näher kommt, hört man, wie sein Jaulen, von den Felsen des Berges reflektiert, nach dem Kreischen der Reifen, die scheinbar endlos lange blockiert über den Asphalt schleifen, zu einem klopfenden Brummen abstirbt: Sie sind da, einen zu holen.
    Die vor einigen Augenblicken noch gefühlte Leichtigkeit fällt von einem ab, wie von einer heftigen Ohrfeige aus Kopf und Gefühlen geklatscht, und die Müdigkeit erdrückt einen schlagartig; vornüberkippen könnte man und würde es auch, schlösse man die Augen, die kleinste Bewegung und es wäre vollbracht. Doch da ist kein Vogel in Sicht, also steht man auf, ächzend wie ein alter Mann, man sieht sie aus ihrem Polizeiauto steigen, den einen in Zivil und den anderen in Uniform, der sofort nach seiner Waffe greift, sie aber nicht aus dem Holster zieht, was einen wundert, der amerikanischen Filme und des Pejote wegen vermutlich.
    Sie suchten wohl nach einem, sagt man und der Zivile antwortet mit »Ja!« und fragt, wie es einem gehe, und man sagt, so lala, man habe ein paar anstrengende Nächte hinter sich und er nickt nur. »Die Waffe«, sagt der Uniformierte zum Zivilen und der ignoriert ihn und sagt, man solle sich keine Sorgen machen, es sei alles in Ordnung, was man nickend bestätigt und sagt: »Klar, alles in Ordnung.« Aber im selben Augenblick weiß man, dass das nicht stimmt, und man wirft einen Blick auf die Insel, die jetzt weiter weg vom Ufer zu sein scheint als während des Sonnenaufgangs, und es wird einem mit der erschreckenden Deutlichkeit klar, die einen beim Gang zum Schafott erfassen muss, dass man bis zum Hals in der Scheiße steckt und wirklich rein gar nichts in Ordnung ist: Man wird jetzt schnurstracks ins Gefängnis wandern, vielleicht nicht für ewig, vielleicht aber auch für etwas länger, denn es ist Krieg und Richter haben im Krieg vermutlich auch leicht verschobene Richtlinien und verschrobenere Launen als zu Friedenszeiten, und man fragt sich, wie man aus dieser Situation noch rauskommen kann, ohne jemanden ernsthaft |73| zu verletzen – man hat ja nur noch eine Patrone. Aber das wissen die Polizisten nicht.
     
    Der in Zivil nähert sich immer noch langsamen Schrittes, während der Uniformierte in der Nähe des Wagens bleibt, die Hand unentwegt an der Waffe, und man sagt zum Zivilen, die Waffe habe man ins Meer geworfen, da runter, und man zeigt über die Klippen – etwas Besseres kommt einem im Moment nicht in den Sinn. Er aber nickt nur, schon wieder.
    »Alles in Ordnung, kein Problem, das besprechen wir nachher in aller Ruhe«, sagt er, und man geht auf ihn zu, nähert sich ihm bis auf zwei Meter und bleibt dann stehen, den Uniformierten immer noch konsequent ignorierend.
    »Was jetzt?«, fragt man und er sagt, man werde jetzt zusammen zur Polizeistation fahren, nach Senj, wo man über alles reden und sehen werde, wie man die Angelegenheit am besten und am schnellsten regeln könne. Man nickt langsam und sagt: »Okay, gehen wir!« Und der Zivile macht die Allerwelts-Nach-Ihnen-Geste und man geht an ihm vorbei in Richtung Polizei-Fiat und Uniformiertem, immer darauf gefasst, dass sich der in Zivil von hinten auf einen wirft und versucht, einen zu Boden zu ringen, doch der hält Abstand und man weiß, als nächstes kommen die Handschellen, aber dann geht alles sehr schnell.
     
    Später fragt man sich, wie lange es dauern wird, bis man gefasst wird. Es kann nicht sein, dass man zwei Polizeibeamte niedergeschlagen und, bevor man sich’s versah, beide mit den eigenen Handschellen an ihren Wagen gekettet hat, ohne dass sie dabei zu sich gekommen wären, und überhaupt: Es ist doch einfach nicht möglich, dass das einfach so geklappt hat!
    Auf der anderen Seite hat man den Kick nach hinten zum ersten Mal geübt, als man acht Jahre alt war, und ihn seither Tausende Male wiederholt. Der Trick besteht darin, dass man weder Kopf |74| noch Schultern dreht, sondern aus dem Schritt heraus nach hinten ausschlägt, wie ein Pferd, und den Gegner mit der Ferse in die Magengrube trifft – Effekt garantiert: Der Getroffene sinkt zusammen wie ein Sack.
    Beim Uniformierten dauert es ein wenig länger, bis man ihn am Boden hat, doch bei ihm ist es die Kraft des Verzweifelten, die einen antreibt und die schließlich genügt, ihm nach einem brutalen Tritt in die Hoden den Ellbogen so stark ins Genick

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