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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zu rammen, dass auch bei ihm die Lichter ausgehen; man ist im Rausch und man hat irgendwie Spaß daran, und als der Polizist in Zivil sich aufrappelt und zur Waffe greifen will, ist man schneller und der Stiefel geht zu seinem Kopf, der nach hinten geworfen wird und den Körper mitreißt: Der Mann liegt am Boden und wird so schnell nicht wieder zu sich kommen.
    Man nimmt alle drei Pistolen an sich, der Zivile trägt einen kleinen Revolver an der Wade, die Ersatzmagazine schnappt man sich auch, man steckt alles in die Jackentaschen und den Hosenbund, schleift die tonnenschweren Körper zu den Autotüren, öffnet diese und lässt die Handschellen an den inneren Griffen zuklappen. Man durchsucht die beiden nach Papieren und Schlüsseln und nimmt nur das Geld – man kann ja nie wissen.
    Im Polizeiauto gibt es weiter nichts zu finden, also zertrümmert man das große Funkgerät, schnappt sich das kleine Walkie-Talkie des Uniformierten, rennt zum Wagen der Eltern, schlägt die hintere Scheibe auf der Beifahrerseite ein und zwängt sich hindurch. Gerade auf dem Fahrersitz gelandet, hat man schon den Motor gestartet, und bevor man sich’s versieht, das Gaspedal voll durchgedrückt; es wird ein Weilchen dauern, bis die beiden zu sich kommen. Dann werden sie merken, dass sie kein Funkgerät mehr haben, weder das mobile noch das im Wagen, keine Schlüssel, weder die für das Auto noch die für die Handschellen, und weil ziemlich sicher keiner der beiden ein Houdini ist, wird mindestens eine halbe bis dreiviertel Stunde vergehen, bis sie vermisst werden, und zu |75| dem Zeitpunkt wird man mindestens fünfzig Kilometer weit entfernt sein und irgendwo durch die Gegend kraxeln, aber dann, mein Lieber, dann brodelt’s: Sie werden einen suchen, mit Hunden und allem drum und dran, Scheißaussichten. Aber bis sie das alles organisiert und das Auto gefunden haben, wird man wortwörtlich über alle Berge sein, man wird klettern und rennen, bis einem die Lungen platzen, aber jetzt ist Rasen angesagt, Fahren wie der Henker.
    Zu verlieren hat man nichts, denkt man beim Driften durch die Kurven, vielleicht ein paar Schläge bei der Festnahme, sofern man nicht an Ort und Stelle abgeknallt wird, was so schlimm auch nicht wäre, bei Festnahme und Schlägen Gefängnis, wo man auch gelandet wäre, hätte man diesen Versuch nicht gestartet, und im zweiten Fall die Nachwelt und Münzen für den Fährmann, die schon bereit in der Ablage liegen, also was zum Teufel soll’s.
     
    Zehn Minuten und tausendachthundert Herzschläge später sagt die Autouhr acht Uhr. Man nimmt sich fest vor, spätestens um neun den Wagen stehenzulassen. Bis dann muss man eine Stelle gefunden haben, einen Felsen, hinter dem man das Auto verstecken und sich bergauf davonmachen kann, davonmachen wie Spiderman, denn man weiß, dass man bis über beide Ohren in der Scheiße steckt, was plötzlich nebensächlich wird, als man merkt, dass man kein Wasser zu trinken hat, etwas, um einen leichter zu machen, und man nimmt eine Kurve noch haarsträubender, Wut, Hass, dann Panik, nein, nein, schön bleibenlassen, keine Panik; man wird schon was auftreiben können, man hat immer was auftreiben können, wenn es sein musste.
    Und so fährt man weiter, immer den Gedanken im Kopf, dass man beobachtet wird, von den eigenen Leuten oder vom Feind, dort oben auf den Bergen sitzen sie und zielen auf einen, die eigenen vielleicht mit Snipergewehren, der Feind vermutlich mit gröberem Kaliber, und bisher hat man einfach nur Glück gehabt, ein Schweineglück sogar, und wer weiß, vielleicht haben es die Polizisten |76| doch irgendwie geschafft, ihre Kollegen zu benachrichtigen, und man wird jetzt schon gesucht, und plötzlich wird einem bewusst, dass man gefunden werden wird, vor allem, wenn man noch länger auf der Straße bleibt. Aber da ist kein Wald in Sicht, kein Baum, kein Busch, kein Strauch. Auch kein Haus, wo man an die Türe klopfen könnte und die Bewohner fesseln müsste, damit sie nicht unmittelbar, nachdem man das Haus mit einer Flasche Schnaps oder Wein verlassen hat, die Polizei rufen, gar kein Thema, man würde sie fesseln müssen, sonst würde man selbst überwältigt und gefesselt und oder gar erschossen. Nein, das Auto gehört irgendwo abgestellt, versteckt, so schnell wie möglich, am Straßenrand, in einem der kleinen Tunnels (wenn man einen Felsdurchbruch von zehn Metern Länge überhaupt einen Tunnel nennen will), bald schon müssten mehrere dieser Dinger kommen, so

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