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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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auf einen Treffer zurückzuführen ist oder auf instinktives Ducken der Gegner, und während es denkt, fällt man schon durch die offene Türe und kriegt auf dem Bauch liegend ein Knie ins Genick und eine Waffe an die Schläfe gedrückt, geblendet von einer Taschenlampe vor der Nase hält man still. Hände tasten grob den Körper ab, ziehen einem die Offizierspistole aus dem Gürtel, man wird gepackt und auf den Rücken geworfen, was immer noch unangenehm ist, aber besser das schwere Knie auf der Brust als im Genick.
    »Wer bist du?«, wird man gefragt und sagt den Vornamen. Nach kurzem Zögern den Nachnamen. »Woher hast du die?« Gemeint ist die Offizierspistole, und man erinnert sich, dass Wappen eingraviert waren und die Pistole als Pistole der eigenen Armee identifiziert worden ist. »Wo ist deine Uniform?«, fragt eine neue Stimme.
    |89| »Gefunden«, lügt man, habe man die Pistole und komme aus einem anderen Land, sagt man die Wahrheit, komme, die Heimat zu verteidigen, drum keine Uniform, da wird eine Pistole durchgeladen und im Lichtkegel ein Schatten, der Lauf einer Pistole, die Mündung wird einem unters Auge gedrückt. »Wo hast du die Waffe her?«, sagt die Stimme ruhig und kalt, so ruhig und kalt, dass jede Bewegung der Anwesenden im Raum unterbrochen wird und einem das Blut im Körper gefriert, weil man weiß, dass der Mann mit der Pistole abdrücken wird, wenn er nicht das hört, was er hören will, und man gesteht: »Gestohlen!« Man habe sie einem Offizier gestohlen.
    Der Lauf entfernt sich langsam, verschwindet im blendenden Licht und man hört die Soldaten wieder atmen, dann Schritte in einem Treppenhaus irgendwo rechts, Schritte von jemandem, der schnell die Treppen runterkommt. »Marko«, flüstert die Stimme heiser. »Marko, sie kommen!« Und Marko dreht sich in Richtung der Stimme und der Lichtkegel dreht sich mit, und zum ersten Mal erkennt man Schemen und Figuren, als Marko zischt: »Alle auf eure Posten!« Die Schatten zerstäuben sich in der Dunkelheit. »Was ist mit ihm?«, fragt eine angenehm sanfte Männerstimme und man realisiert, dass sie zum Knie gehört, dessen Druck einem die Luft zum Atmen nimmt, seit die Waffe nicht mehr aufs Gesicht zielt, und während man um Atem ringt‚ fragt Marko, der noch immer ein Schatten ist: »Kannst du schießen?« Und man realisiert, dass man selbst gemeint ist und sagt: »Ja«, man glaube schon. »Scheiße!«, lautet die Antwort und: »Los, Josko, nimm ihn mit!«
    Schritte, die sich entfernen, Hände, die einen an der Jacke packen, hochzerren und auf die Füße stellen, ein Griff im Genick, und die Stimme, die einem ins Ohr flüstert, kommt von oben, von diesem Josko, der mindestens einen Kopf größer ist, und er sagt: »Los, komm mit, schnell!« Und bevor man nicken oder antworten kann, wird man am Jackenkragen mitgezerrt, eine Treppe hoch, durch einen schmalen Gang in ein Zimmer hinein, wo Matratzen am Boden |90| liegen und Soldaten kniend und liegend aus dem Fenster oder durch Löcher in der Hauswand nach draußen zielen, auf einen Feind, den man nicht sehen kann.
    »Wer, verflucht noch mal, ist das?« Die Stimme, vom Mann, der vorhin die Treppe runtergekommen war. Josko sagt, das sei jetzt egal. »Wo ist die Flinte?« – »Links in der Ecke«, die Antwort vom Liegenden, der sein Auge nicht von Kimme und Korn nimmt. »Komm!« Dann ein Ruck und man fällt in Richtung linke Ecke gegen die Wand, dorthin, wo die Flinte sein soll, man wird in die Hocke gedrückt und zum ersten Mal kann man ansatzweise Joskos Gesicht erkennen. Es ist das hübsche Gesicht eines jungen Mannes, der einem eine Schachtel Munition in die Hand drückt und mit zwei Sätzen und zwei Bewegungen die Flinte erklärt: »Hier Munition rein, hier laden, abdrücken. Das ist alles.« Man fragt, wo man sich hinlegen soll, erstaunt über die Tatsache, dass man gleich auf jemanden schießen wird, auf Menschen. »Dort, neben Boris – und sieh zu, dass du triffst!«
    Neben diesem Boris liegend, kommen Anweisungen seinerseits: »Du schießt erst, wenn ich sage, dass du schießen sollst. Und du schießt nur auf die, auf die ich dir sage. Und ziele, bevor du schießt, wir haben nicht so viel Munition wie die da drüben. Hast du mich verstanden?«
    Man nickt und die Stimme fragt um noch eine Spur grober und unfreundlicher – man glaubte eigentlich nicht, das sei möglich –, ob man ihn verdammt noch mal verstanden habe, und man sagt: »Ja«, jetzt, wo man sich zu ihm umdreht und sieht,

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