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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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und zu Boden geht; man denkt nicht, man fühlt nicht, man ist. Angekommen.
     
    Die Erkenntnis, in jenem Moment das Gefühl von Ankommen gehabt zu haben, kommt einem erst später, als der Angriff schon lange vorbei ist und man sich, in eine Decke gehüllt, in ein zerschossenes Sofa gedrückt hat, wo man raucht und billigen Schnaps trinkt, der die Runde macht, und man traut sich nicht, das Gefühl zu fühlen, den Gedanken zum Gedanken werden zu lassen, der einen erfasst, so dass man ihn nie wieder loswerden wird, man hört zu und trinkt und versucht zu rekapitulieren: Es hörte auf, wie es begonnen hatte – von einem Herzschlag auf den anderen. Ein geschriener Befehl von unten, man vermutete Markos Stimme, zwei Schüsse noch, abgegeben von Fingern, die den jeweiligen Gehirnen nicht gehorchen wollten (darunter waren auch der eigene Finger und das eigene Gehirn), und dann Stille – Totenstille. Und zum ersten Mal bekommt der Begriff Totenstille eine Bedeutung, die ihm tatsächlich entspricht. Zum ersten Mal spürt man, was Stille und Totenstille wirklich sind: Das Suchen, das angespannte Horchen nach Leben und nach von lebenden Körpern verursachten Geräuschen, nach möglichst lautlosem Atmen bewegungsloser, verkrampfter Körper, nach unterdrücktem Stöhnen von Verletzten, dem Rascheln von Laub und dem Zerbrechen von trockenen Ästen unter den Stiefeln von fliehenden Angreifern, dann Boro mit dem Satz: »Sie sind weg.«
    Sein schwerer Körper, den er rücksichtslos gegen die Wand wirft und zu Boden gleiten lässt, die Zigarette, die er einem hinhält und anzündet, als man sich neben ihn gesetzt hat: »Gut gemacht«, sagt er.
    Man hört den Satz wieder und wieder, bevor man endlich merkt, dass man mittlerweile allein im oberen Zimmer sitzt und Boris sich |96| längst zu den anderen im Erdgeschoss gesellt hat; man will zwar nach unten, weiß aber nicht, ob man soll oder darf, und was tun mit der Munition, einstecken oder hier oben lassen?
    »Nimm nur das Gewehr und zwei Magazine mit«, sagt eine Stimme, so klar, wie keine Stimme nach diesem Kriegslärm sein dürfte, es ist die Stimme einer Frau und ihr Schatten stellt sich vor einen hin, gibt einem die Hand und stellt sich vor.
    »Mein Name ist Marina«, sagt sie und man hat sich verliebt, noch bevor man ihr Gesicht gesehen hat, verliebt in den Klang ihrer Stimme, den festen Griff ihrer zartgliedrigen Hand, die sanften Konturen ihres Gesichts und die großen, dunklen Augen, die im Mondlicht eine unwiderstehliche Anziehungskraft besitzen und in die man gern fallen würde, wie in einen Brunnen … »Na los, mach schon!«
    Sie hilft einem auf, dann ein Schmerz in der Magengrube, als sie einem zwei Magazine in den Solarplexus stößt: »Mitnehmen!« Man folgt ihr nach unten, verängstigt und sicher, jeden Moment zu erwachen, irgendwo zwischen den Felsen auf dem Weg zum Bergkamm, weit oberhalb des Meeres. Aber dort war man schon und unten sitzt die Gruppe Soldaten auf ein paar Stühlen und zerschlissenen Sofas in einem Raum, der vor wenigen Monaten noch das Wohnzimmer dieses Hauses gewesen sein muss und jetzt, spärlich erleuchtet von der kleinen Gasflamme, auf der, dem Geruch nach zu urteilen, Kaffee gekocht wird, Soldaten als Nachtlager dient.
    Marina setzt sich auf die Lehne des grünbraunen, kugeldurchsiebten Sofas neben den Mann, der einem vor einer halben oder ganzen Stunde – das Gefühl für Zeit ist einem völlig abhanden gekommen – eine Pistole unters Auge gedrückt hat und dessen Name, wenn man sich richtig entsinnt, Marko ist. Neben ihm sitzt eine zweite Frau, die ihr linkes Bein leger über die Lehne baumeln lässt: Sie hat ihr dickes, langes, schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und starrt einen mehr gelangweilt als interessiert an; auf dem Stuhl vor dem Gaskocher sitzt der Soldat, der während des Gefechts |97| rechts von Boro gekämpft hat; Boro und der junge Josko kauern vor einem behelfsmäßig mit Brettern zugenagelten Fenster und beobachten über die Läufe ihrer Gewehre hinweg den Waldrand; man selbst steht da, mit dem Gewehr in der einen und den Magazinen in der anderen Hand und weiß nicht, wohin man soll. »Setz dich«, sagt Marko und zeigt auf einen leeren, ebenfalls zerschossenen Sessel neben dem Gaskocher. Man setzt sich, das Gewehr zwischen die Beine geklemmt. »Wer bist du?«, fragt er dieselbe Frage, die er einem schon einmal gestellt hat, jetzt allerdings, ohne einem eine Pistole ins Gesicht zu pressen.
    Man sagt ihm den

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