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Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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kleine Kinder.
    Keine Abschiedsnotiz, beschloss er: Der Fleck an der Wand hinter seinem Kopf würde Notiz genug sein. Und das blut- und fettverschmierte Buch auf seinem Schoß auch.
    Er könnte natürlich auch ein Testament verfassen und das Buch jemandem vermachen. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass es doch ein Erfolg werden würde. Aber nach genauerer Überlegung entschied er, sie sich streiten zu lassen. Allesamt.
    »Leckt mich am Arsch«, sagte er laut, nahm die schön ausgehöhlte Kugel, schob sie in die Trommel, ließ diese sich mit Schwung um die eigene Achse drehen und mit einem Klacken einschnappen. Jetzt war es so weit: Die Kugel, die ihn garantiert umbringen würde, steckte im Revolver, der Whisky war fast leer, er hatte noch zwei Bier im Kühlschrank – und das war – yep, kein Zweifel – ein Problem: Konnte er sich umbringen, ohne die zwei Bier zu trinken? Nein, das konnte er nicht.
    Er legte die geladene Waffe aufs Manuskript und deckte sie mit einem Kopfkissen zu, damit er nicht zufällig sehen und wissen konnte, in welcher Kammer die Kugel steckte und ob es ihn gleich beim ersten Mal erwischen würde. Das würde die Angst, die er hatte, nur unnötig steigern. Denn Angst, da musste er sich nichts vormachen, hatte er. Und das, obwohl er schon mehr als eine Flasche Whisky und drei Bier intus hatte. Jetzt noch die restlichen zwei Büchsen, und die Party war aus, beschloss er.
    Auf dem Weg zum Kühlschrank kam ihm allerdings in den Sinn, dass er irgendwo noch Koks hatte, und er kramte hektisch danach und fand ein Minigrip in einer Hosentasche, etwa ein halbes Gramm.
    Er kippte den ganzen Inhalt auf den Glastisch und steckte ein Stück zusammengerolltes Papier hinein, mitten in den Haufen; wozu sollte Zerkleinern und Linienziehen jetzt noch gut sein? Er |103| sniffte sich Nase und Lunge voll und ging betäubt vom ersten Kick zum Kühlschrank und nahm ein Bier raus. Als er den Verschluss abzog, zischte es laut und einladend, und er kippte die Hälfte in sich hinein.
    »Scheiße«, sagte er, rülpste und ließ sich auf den Stuhl am Glastisch fallen, um zu überlegen. Das Kokain würde ihn schon bald sentimental und zum Schluss, wenn die Wirkung rapide nachließ, unsicher machen. Und das war genau das, was er jetzt nicht brauchen konnte; er musste hart und entschlossen bleiben. Und nichts eignete sich dafür besser als gutes, altes Heroin.
    Also sprang er auf, schnappte sich sein Handy und wählte die Nummer eines Dealers, dem er vertraute und der ihm vertraute, weil noch keiner den anderen über den Tisch gezogen hatte.
    »Hallo?«
    »Ich bin’s«, sagte Martin.
    »Hi.«
    »Sind die drei Bilder fertig? Kannst du sie mir vorbeibringen?«
    »Okay. Halbe Stunde«, sagte der Dealer.
    »Bitte, mach schneller, ich kauf dir noch ein viertes Bild ab, nur für den Gefallen, dass du zuerst zu mir kommst.«
    »Okay, zehn Minuten.«
    Es vergingen sieben Minuten und es läutete. Martin drückte auf den Türöffner und dreißig Sekunden später klopfte der Dealer an die Wohnungstür, an der Martin am Guckloch klebte und zusah, wie sich der Dealer nervös nach allen Seiten umsah und nochmals klopfte. Martin öffnete die Tür, der Dealer betrat die Wohnung, sah die Sauerei, in der Martin seit Wochen lebte, und sagte er nur: »Bei dir alles in Ordnung?«
    »Ja«, log Martin. »Viel gearbeitet.« Das zumindest stimmte ja.
    Der Dealer namens Bruno sah die Munition neben dem Bett auf dem Boden liegen, ging hin, bückte sich und nahm eine Patrone auf.
    »Wow«, sagte er. »Das sind ja Dumdums!«
    »Yep«, sagte Martin.
    |104| Er setzte sich an seinen Glastisch und wartete, dass Bruno ihm die Ware präsentierte.
    »Hast du noch mehr davon?«, wollte der Dealer wissen und drehte die Patrone zwischen den Fingern hin und her.
    »Ja, hab ich«, sagte Martin. »Zwei Schachteln voll. Aber es sind 38er Spezial, die passen nicht in ’ne Neunmillimeter.«
    »Ich hab ’ne 38er!«
    »Und?« Martin wusste, was jetzt kommen würde.
    »Würdest du mir eine Schachtel verkaufen?«
    »Verkaufen?« Martin lachte. »Wenn schon, dann tauschen wir.«
    Der Dealer überlegte kurz.
    »Die Dinger sind scheiß-illegal, stimmt’s?«
    Martin nickte.
    »Scheiß-oberillegal.«
    »Okay, hier mein Vorschlag: Wie viele sind in einer Schachtel?«
    »Fünfzig.«
    »Okay. Du gibst mir zwei Schachteln und ich gebe dir vier Gramm. Und zwar vom ungestreckten Dope. Meinem eigenen Zeug.«
    Martin ließ den Kopf sinken und begann, ihn langsam zu schütteln.

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