Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drift

Drift

Titel: Drift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
»Ach komm«, dachte er, »erzähl mir hier bloß keinen Pulp-Fiction-Scheiß, von wegen von deinem eigenen, ungestreckten Zeug.« Er hob den Kopf und sah den Dealer kritisch an.
    »Du schleppst vier Gramm vom guten Zeug rum, wenn du zu Kunden gehst?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen.
    »Nein, nein«, lächelte Bruno und unterstrich seine Worte mit dem rechten Zeigefinger, »ich gehe nachher zu meiner Freundin und bleibe übers Wochenende. Drum hab ich das gute Zeug dabei. Und wollte dir einen Gefallen tun, mein Lieber. Also, was sagst du?«
    Martin tat so, als würde er überlegen, obwohl er seinen Entschluss bereits gefasst hatte. Nur eines wäre noch toll, dachte er und fragte.
    »Hast du Weißes dabei?«
    Bruno grinste.
    |105| »Klar. Dann sind’s drei Gramm vom Braunen und ein Gramm vom Weißen für zwei Schachteln Dumdums. Einverstanden?«
    Martin stand auf, ging zu Bruno und hielt ihm die Hand hin.
    »Einverstanden.«
    Sie besiegelten den Deal mit einem Handschlag und Martin schlenderte im Slalom an den klebrigen, stinkenden Kartonschachteln vorbei zum Kleiderschrank, zog die Schublade mit den Socken und Unterhosen raus und zauberte zwei Schachteln Bleigeschosse hervor. Eine warf er Bruno zu.
    »Da, schau rein.«
    Bruno griff in seine Jackentasche und hielt Martin je ein Minigrip mit einem Gramm Braunem und Weißem hin, damit auch er die Ware testen konnte.
    Beide überprüften die Ware und grinsten zufrieden: Der Deal war innerhalb von fünf Minuten über die Bühne gegangen und sie verabschiedeten sich wie gute Freunde.
    »Bis bald, Alter«, sagte Bruno. Und mit einem Blick durch die Wohnung fügte er hinzu: »Und mach hier mal sauber. Sieht ja aus wie bei ’nem Junkie.«
    Martin verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln: »Geht klar, Bruno«, sagte er und schloss die Türe hinter ihm.
    Martin ließ sich mit dem Rücken gegen die Tür fallen und grinste übers ganze Gesicht; beim Anblick der vier Minigrips auf dem Tisch zitterte er vor Vorfreude. Nicht nur hatte er Heroin und Koks von allerbester Qualität für ein paar Patronen bekommen, die er ohnehin nicht brauchte, sondern er konnte sich jetzt dermaßen die Birne zusniffen und zurauchen, dass der Moment des Abdrückens ein Klacks sein würde, in etwa so aufwühlend wie das Spülen der Toilette.
    Er machte alle Minigrips auf und schüttete das gute Koks zum schlechteren und das Heroin auf einen separaten Haufen. Er zerkleinerte die Haufen mit einer Bankkarte, vermischte die Hälfte des hellbraunen Pulvers mit dem Koks und machte sich die erste Linie. |106| Als er den Kopf laut sniffend nach hinten warf, durchfuhr ihn ein unbeschreibliches Gefühl von Leichtigkeit, Wärme, Stärke und Klarsicht, kombiniert in vollkommener Harmonie und Perfektion; eine Symphonie der – Glückseligkeit.
    Das Problem mit der Glückseligkeit war, dass sie Martin umgehend beste Laune machte und Selbstmord vom einen Moment auf den anderen nicht mehr ganz so einleuchtend schien. Aber Martin wusste um die Unwirklichkeit dieses Gefühls und nahm sich deshalb vor, die etwas mehr als vier Gramm innerhalb von maximal vier Stunden zu konsumieren. Auf diese Weise würde er so von den Socken sein, dass er nicht mehr im geringsten belangbar wäre und die lauten Klacks vom Revolver ihm höchstens ein hysterisches Lachen entlocken würden, bis ihm das letzte »Klack« schließlich die Birne wegblies.
    Er sniffte, leerte die zweite Büchse Bier und ging runter zum Chinesen direkt gegenüber, um sich zehn kleine Flaschen Tsintao-Bier zu kaufen.
     
    Der alte Chinese musterte Martin halb verschmitzt, halb hinterhältig, aber in erster Linie angeekelt.
    »Guten Abend, Martin, Sie sehen gut aus«, sagte er mit einem falschen Lächeln.
    »Danke gleichfalls, Sie Schlaumeier«, antwortete Martin absichtlich kühl; der Chinese wurde mit jedem Bier, das Martin bei ihm kaufte, ohne dazu etwas zu essen zu bestellen, immer unverschämter.
    »Essen oder nur Bier?«
    Der Chinese grinste frech und Martin fand, dass das Gesprächsmoment auf der falschen Seite lag. Er grinste zurück und zeigte dabei Zähne.
    »Ich esse nur noch Pizza, seit der letzten Vergiftung, die ich mir bei Ihnen geholt habe, danke.«
    Das wiederum fand der Alte nicht witzig und ging schnell zum Kühlschrank.
    |107| »Wie viel?«
    »Zehn«, sagte Martin, weil der Chinese nur kleine Tsintao-Flaschen führte. Er wartete auf den Plastiksack mit den Bieren, zahlte, erwiderte das eisige Lächeln des Chinesen und ging über

Weitere Kostenlose Bücher