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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Argumente, aber schrecklich
verlockend. Ich schämte mich, aber bevor ich es mir noch einmal überlegen
konnte, war ich schon dabei, das Fliegengitter herauszulösen und meine
unartigen kleinen Finger durch die Öffnung zu schieben. Und ehe ich mich’s
versah, war ich in seinem Zimmer. Ich machte das Licht an. Ich konnte nur
hoffen, dass Curtis nicht hereinspaziert kam. Ich war mir nicht sicher, ob es
ihn stören würde, wenn ich sein Zimmer filzte. Ich hatte vor allem Angst, er
könne auf die Idee kommen, ich stellte ihm nach.
    Seine Mutter wäre sicher vor Scham in
den Boden versunken, wenn sie gesehen hätte, wie er hauste. »Heb deine Kleider
auf«, kam in seinem Sprachschatz nicht vor. Der Raum war ohnehin schon nicht
sonderlich groß, etwa drei Mal drei Meter, mit einer winzigen Kochnische — einer
Kombi-Kühlschrank-Koch-Spüle, die vor Dreck starrte. Das Bett war ungemacht und
barg weiter keine großen Überraschungen. Ein kleiner Schwarz-Weiß-Fernseher
stand auf einem der Nachttischchen, das er, der besseren Sicht wegen, von der
Wand abgerückt hatte. Elektrokabel schlängelten sich als Stolperfallen über den
Fußboden. Das Bad war klein und mit muffigen Handtüchern drapiert. Er schien
auf Seife mit eingebackenen Schamhaaren zu stehen.
    Aber mir konnte es schließlich egal
sein, wie es bei ihm aussah. Was mich interessierte, war der wackelige
Holzschreibtisch. Ich machte mich daran, ihn zu durchsuchen. Curtis hielt wohl
nichts von Banken. Er bewahrte sein Geld lose in der obersten Schublade auf.
Ein ganz hübsches Sümmchen. Wahrscheinlich dachte er sich, marodierende
Räuberbanden würden sich nicht unbedingt das Zimmer 9 im Thrifty Motel
vornehmen. Zwischen dem Geld lagen, kunterbunt dazwischengestopft, diverse
Rechnungen: Gas, Telefon, Sears, wo er ein paar Klamotten erstanden hatte.
Unter den Sichtfenster-Kuverts entdeckte ich einen dickeren
Selbstklebe-Umschlag, der für die Versendung von Schecks bestimmt war. Name und
Adresse des Absenders waren auf der Verschlussklappe vorgedruckt: Mr. und Mrs.
Peter Weidmann. Aha, das war interessant. Ich stellte das kleine Lämpchen
schräg und hielt den Umschlag so dicht an die Birne, dass das Papier fast
ankokelte. Das Kuvert hatte ein blödes Sternchenfutter, so dass ich den Inhalt
nicht erkennen konnte. Glücklicherweise weichte die Hitze der Glühbirne jedoch den
Kleber auf, und durch vorsichtiges Pulen gelang es mir, die Klappe zu öffnen.
    Drinnen steckte ein Scheck über
vierhundert Dollar, auf Curtis ausgestellt und von Yolanda Weidmann
unterzeichnet. In der Zeile »Verwendungszweck« stand nichts, und der Umschlag
enthielt auch keinerlei persönliche Mitteilung. Woher kannte sie Curtis, und
weshalb schickte sie ihm Geld? Bei wie vielen Leuten kassierte dieser Mensch
noch ab? Von Kenneth und Yolanda zusammen strich er fünfhundert Dollar im Monat
ein. Noch ein paar edle Spender, und das war besser als ein regulärer Job. Ich
steckte den Scheck zurück und verschloss den Umschlag wieder. Sonst enthielten
die Schubladen nichts Besonderes. Noch ein letzter Rundum-Kontrollblick, und
ich knipste das Licht wieder aus. Ich linste um die Vorhangkante. Auf dem
Parkplatz war kein Mensch zu sehen. Ich entriegelte die Tür, schlüpfte hinaus
und zog sie hinter mir wieder zu.
    Ich umging den Freeway und fuhr auf
kleinen Straßen zurück nach Horton Ravine. Die Lower Road war dunkel, da die
wenigen Laternen zu weit auseinander standen, um sie ausreichend zu beleuchten.
Das Licht, das bei den Weidmanns brannte, wirkte wie eine Art
Minimal-Beleuchtung, die man anlässt, damit Einbrecher woanders hingehen. Die
Lampe über der Tür brannte, aber in der Einfahrt stand kein Wagen. Ich ließ den
Motor laufen, während ich klingelte. Als ich überzeugt war, dass niemand zu
Hause war, stieß ich rückwärts wieder aus der Einfahrt und stellte den Wagen um
die Ecke in der Esmeralda Street ab. Der Wachdienst von Horton Ravine würde in
regelmäßigen Abständen vorbeikommen, aber ich dachte, dass ich doch ein
Weilchen unbemerkt bleiben würde. Ich öffnete das Handschuhfach und nahm die
Stablampe heraus. Soweit ich wusste, hatten die Weidmanns weder einen
Elektrozaun noch einen großen, geifernden Dobermann. Ich zog meine Jacke aus
einem Haufen Krempel auf dem Rücksitz, schlüpfte hinein und schloss den
vorderen Reißverschluss. Auf zu einer kleinen Giftpilz-Pirsch.
    Ich näherte mich dem Haus zu Fuß und
leuchtete den Weg vor mir mit der Taschenlampe ab. Das Licht über der

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