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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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»Bitte, sagen
Sie mir, was Sie wollen, und lassen Sie mich dann in Frieden.«
    »Wo ist Peter? Ist er da?«
    »Er wurde heute am späten Nachmittag
ins Krankenhaus eingeliefert. Er hatte wieder einen Herzinfarkt. Er liegt auf
der kardiologischen Intensivstation. Wenn es nicht zu viel verlangt ist, würde
ich jetzt gerne hineingehen. Ich bin nur kurz nach Hause gekommen, um einen
Bissen zu essen. Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen und dann wieder zurück
ins Krankenhaus. Diesmal sind sie nicht sicher, ob er’s schafft.«
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Das habe
ich nicht geahnt.«
    »Das ist jetzt nicht von Belang. Gar
nichts ist von Belang.«
    Ich sah verlegen zu, wie sie über den
Rasen zurückstapfte und ihre Schuhe drüben auf der Terrasse feuchte Abdrücke
hinterließen. Sie wirkte zusammengeschrumpft und alt. Ich hatte die dumpfe
Vorahnung, dass sie zu den Frauen gehörte, die ihrem Lebenspartner binnen
weniger Monate in den Tod folgten. Sie schloss die Hintertür auf und trat ins Haus.
Das Küchenlicht ging an. Sobald sie verschwunden war, überquerte ich
meinerseits den Rasen. Meine Taschenlampe erfasste hier und da ein paar weiße
Schnipsel. Ich hockte mich hin und fegte mit der Hand einen Klumpen Gras
beiseite. Darunter lag eine Mini-Portion Pilzhäcksel — wahrscheinlich noch
nicht einmal ein Teelöffel voll. Dass es sich um A. phalloides handelte,
schien nicht gerade wahrscheinlich, aber im Namen der Gründlichkeit zog ich ein
gefaltetes Papiertaschentuch aus meiner Jackentasche, um die Probe sorgsam
einzupacken.
    Ich ging zu meinem Auto zurück. Ich war
irgendwie aufgewühlt. Ich glaubte, jetzt einigermaßen sicher zu wissen, wie
Curtis in die Sache hineingeraten war. Entweder hatte er irgendwelchen
Knastklatsch aufgeschnappt und sich nach dem Freispruch an Kenneth Voigt
herangemacht, oder aber Ken hatte von den Weidmanns erfahren, dass Curtis mit
David Barney in der Zelle gesessen hatte. Vielleicht hatte er selbst Curtis den
Vorschlag mit der Aussage gemacht. Ich bezweifelte, dass Curtis selbst schlau
genug war, einen solchen Plan auszuhecken.
    Ich saß in meinem Auto in der dunklen
Seitenstraße. Ich kurbelte das Fenster herunter, damit ich die Grillen hören
konnte. Die feuchte Luft an meinem Gesicht war belebend. Die Vegetation am
Straßenrand verströmte dort, wo ich sie zertreten hatte, einen würzigen Geruch.
Im Sommer vor meinem zweiten High-School-Jahr hatte ich (wenn auch nur kurz)
als Betreuerin in einem Ferienlager gearbeitet. Ich war damals fünfzehn gewesen
— voller Optimismus, noch nicht im Stadium des Herumhängens, Rebellierens und
Kiffens. Wir waren losgezogen, um ein »Nachtlager« zu veranstalten, das ganze
Team vom Tagescamp, ich mit den neunjährigen Mädchen im Schlepptau. Es lief
alles ziemlich gut, bis wir uns schlafen legten. Da stellte sich heraus, dass
der Baum, unter dem wir unsere Schlafsäcke ausgerollt hatten, ein einziges Nest
von Weberknechten war, die sich jetzt auf uns herunterfallen ließen. Plopp,
plopp. Plopp, plopp. So ein Gekreische hatte die Welt noch nicht gehört. Bestimmt
hatte ich den armen kleinen Mädchen einen Todesschrecken eingejagt...
    Ich sah in den Rückspiegel. Hinter mir
bog ein Wagen um die Ecke, bremste ab und hielt neben mir. Er trug das Zeichen
des Wachdiensts von Horton Ravine. Vorne saßen zwei Männer, von denen der eine
jetzt eine helle Leuchte auf mein Gesicht richtete. »Haben Sie
Schwierigkeiten?«
    »Alles bestens«, sagte ich. »Ich wollte
gerade losfahren.« Ich ließ den Wagen an, legte den Gang ein und rollte langsam
auf dem Randstreifen vorwärts, bis ich vor ihnen auf den Asphalt hinüberziehen
konnte. Ich fuhr in gemächlichem Tempo zum Ausgang von Horton Ravine, wobei mir
die beiden Typen in ihrem Streifenwagen demonstrativ folgten. Ich nahm wieder
den Freeway, mehr aus Verzweiflung als in irgendeiner konkreten Absicht. Was
sollte ich tun? Von den Spuren, denen ich nachgegangen war, hatten sich die
meisten im Sand verloren, und bevor ich nicht mit Curtis geredet hatte, konnte
ich nicht sicher sein, was wirklich los war. Ich hatte ihm hinterlassen, er solle
mich anrufen. Also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als nach Hause zu
fahren, damit ich wenigstens erreichbar war, falls eine meiner Botschaften zu
ihm durchdrang.
    Es war viertel nach acht, als ich bei
mir zu Hause ankam. Ich schloss hinter mir ab und knipste im unteren Raum das
Licht an. Dann verfrachtete ich die Pilzschnipsel aus dem Papiertaschentuch in
einen

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