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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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nur den einen
Wunsch, irgendwo einen Happen zu essen und mich aufs Ohr zu legen. Für den
Notfall hat Ida Ruth die Motel-Nummer. Tun Sie in der Zwischenzeit, was Sie
können, ja?«
    »Klar.«
    Ich ging in die Kanzlei zurück. Als ich
an Lonnies Bürotür vorbeikam, sah ich Ida Ruth telefonieren. Sie erspähte mich
und winkte mich zu sich. Sie legte den Anrufer auf die Warteleitung und
bedeckte dann die Sprechmuschel mit der Hand, als wollte sie noch zusätzlich
dämpfen, was sich auf dieser Seite der Leitung tat. »Ich weiß nicht, wer dieser
Mensch ist, aber er will Sie sprechen.«
    »Was will er?«
    »Er hat gerade den Nachruf auf Morley
in der Zeitung gelesen. Er sagt, er muss dringend mit demjenigen sprechen, der
seine Arbeit übernommen hat.«
    »Ich gehe eben rüber an meinen
Schreibtisch und nehme dort ab. Vielleicht hat er irgendwelche Informationen
für uns. Welche Leitung?«
    Sie streckte zwei Finger hoch.
    Ich trabte den Flur entlang, zog meine
Bürotür hinter mir zu, legte meine Handtasche ab, angelte nach dem Apparat und
drückte Leitung zwei, die hektisch blinkte. »Hier Kinsey Millhone. Was kann ich
für Sie tun?«
    »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass
Morley Shine tot ist. Was ist denn passiert?« Die Stimme war wohlmoduliert, der
Ton vorsichtig.
    »Er hatte einen Herzinfarkt. Wer
spricht denn bitte?«
    Pause. »Ich weiß nicht, ob das wichtig
ist.«
    »Wenn Sie mit mir reden wollen, schon«,
sagte ich.
    Erneute Pause. »Mein Name ist David
Barney.«
    Mein Herz tat einen jähen Bummerschlag.
»Tut mir Leid, aber ich bin die falsche Person, wenn Sie etwas über Morley
Shine wissen wollen...«
    Er fiel mir ins Wort: »Hören Sie. Hören
Sie mich an. Da ist irgendetwas Komisches im Gang. Ich habe letzten Mittwoch
mit ihm gesprochen...«
    »Morley hat Sie angerufen?«
    »Nein, Ma’am. Ich habe ihn angerufen.
Ich hatte gehört, dass irgendein Knastbruder namens Curtis McIntyre gegen mich
aussagen will. Er behauptet, ich hätte zu ihm gesagt, dass ich meine Frau
getötet habe, aber das ist kompletter Blödsinn, und ich kann es auch beweisen.«
    »Ich denke, wir sollten dieses Gespräch
auf der Stelle beenden.«
    »Aber ich sage Ihnen...«
    »Sagen Sie es Ihrem Anwalt. Wir haben
nichts miteinander zu besprechen.«
    »Ich habe es meinem Anwalt gesagt. Ich
habe es auch Morley Shine gesagt, und Sie sehen ja, was mit ihm passiert ist.«
    Ich verstummte für eine halbe Sekunde.
»Was soll das heißen?«
    »Vielleicht war der Bursche ja zu dicht
an der Wahrheit dran.«
    Ich verdrehte die Augen. »Wollen Sie
damit sagen, er sei ermordet worden?«
    »Ist doch möglich.«
    »Das ist Leben auf dem Mars auch, aber
es ist nicht wahrscheinlich. Warum sollte irgendjemand Morley Shine ermorden
wollen?«
    »Vielleicht hat er ja etwas gefunden,
das mich entlastet hätte.«
    »Ach, tatsächlich? Was denn zum
Beispiel?«
    »McIntyre behauptet doch, er hätte an
dem Tag, als ich freigesprochen wurde, vor dem Gerichtssaal mit mir gesprochen,
richtig?«
    Ich sagte nichts.
    »Richtig?«, fragte er wieder. Ich hasse
Leute, die nach jedem Satz auf einer Reaktion bestehen.
    »Schießen Sie los«, sagte ich.
    »Der Wichser war zu dem Zeitpunkt im
Knast. Das war am einundzwanzigsten Mai. Schauen Sie mal ins Strafregister. Da
werden Sie’s schwarz auf weiß finden. Genau das habe ich Mor-ley Shine am
Mittwochvormittag auch gesagt, und er hat gemeint, er würde mal nachsehen.«
    »Mr. Barney, ich halte es nicht für
richtig, wenn wir beide in dieser Weise miteinander reden. Ich arbeite für die
Gegenseite. Ich bin der Feind, ist Ihnen das klar?«
    »Ich will Ihnen ja nur meine Seite
darlegen.«
    Ich hielt den Hörer von mir weg und
plinkerte ihn ungläubig an. »Weiß Ihr Anwalt, was Sie hier machen?«
    »Zum Teufel damit. Zum Teufel mit ihm.
Anwälte stehen mir bis obenhin, mein eigener eingeschlossen. Wir hätten das
alles schon vor Jahren klären können, wenn irgendjemand den Anstand besessen
hätte, mir zuzuhören.« Und das von einem Mann, der seiner Frau ins Auge
geschossen hatte.
    »Aber Sie haben doch die Justiz, wenn
Sie wollen, dass Ihnen jemand zuhört. Genau darum geht es doch. Sie sagen dies,
und Kenneth Voigt sagt etwas anderes. Der Richter hört beide Seiten an und die
Geschworenen ebenfalls.«
    »Aber Sie nicht.«
    »Nein, ich nicht, weil es nicht meine
Aufgabe ist«, sagte ich gereizt.
    »Selbst wenn ich die Wahrheit sage?«
    »Darüber hat das Gericht zu befinden.
Das ist nicht mein Job. Mein Job ist es,

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