Dringernder Verdacht
wirklich ganz für sich haben würde.«
Ich sagte: »Eine Frage: Gestern Abend
habe ich seine Version gehört, und er behauptet, Isabelle sei so
unsicher gewesen. Stimmt das?«
»Nicht aus meiner Sicht, aber
vielleicht hat sie sich Männern gegenüber von einer anderen Seite gezeigt«,
antwortete sie. Sie zeigte auf eine Reihe von Einfahrten vor uns auf der linken
Seite. »Die erste«, sagte sie.
Wir waren in dem Teil von Montebello,
der auch »die Slums« genannt wird und wo ein Haus nur 280 000 Dollar kostet.
Ich hielt vor einem kleinen, weiß verputzten Steinhäuschen. Rhe öffnete die
Wagentür und stieg aus. »Ich würde Sie ja noch auf ein Glas Wein hereinbitten,
aber ich muss wirklich an die Arbeit. Ich werde wohl die halbe Nacht arbeiten
müssen.«
»Schon gut. Machen Sie sich deswegen
keine Gedanken. Ich bin todmüde. Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit
genommen haben«, sagte ich. »Ach, übrigens, wo ist denn die Ausstellung?«
»In der Axminster Gallery. Freitagabend
um sieben ist ein Sektempfang. Schauen Sie doch vorbei, wenn Sie können.«
»Das werde ich tun.«
»Und danke fürs Nachhausebringen. Wenn
Sie noch Fragen haben, können Sie sich ja an mich wenden.«
Bei Henry war alles dunkel, als ich
nach Hause kam. Auf meinem Anrufbeantworter war keine Nachricht. Zur
Entspannung ging ich daran, das Wohnzimmer aufzuräumen und das untere Bad
sauber zu machen. Putzen hat eine therapeutische Wirkung — die ganze Aktivität
der rechten Gehirnhälfte, abstauben und saugen, abwaschen, Betten beziehen. Mir
sind schon viele wichtige Erkenntnisse gekommen, während ich mit der Klobürste
in der Hand dastand und zusah, wie der Reiniger in der Schüssel kreiselte.
Morgen Abend würde ich mich staubwischenderweise die Wendeltreppe
hinaufarbeiten und dann das Zimmer unter dem Dach und das obere Bad in Angriff
nehmen.
Ich schlief gut, stand um sechs auf,
drehte meine übliche Laufrunde und absolvierte fast automatisch meine
Morgenroutine. Auf dem Weg ins Büro hielt ich bei der Bäckerei und holte mir
einen Riesen-Styroporbecher Caffé latte mit Deckel. Ich musste mein Auto
zwei Straßen entfernt abstellen, und bis ich bei meinem Schreibtisch anlangte,
hatte der Kaffee gerade die richtige Trinktemperatur. Während ich ihn
schlürfte, starrte ich von meinem Stuhl aus auf die überall herumliegenden
Aktenordner. Ich musste System in die Sache bringen, um überhaupt dahinter zu
kommen, was Sache war. Ich kippte den halben Kaffee hinunter und stellte den
Becher weg.
Ich schob die Ärmel hoch und machte
mich an mein Ordnungswerk. Ich packte die beiden Kartons aus sowie die braune
Einkaufstüte mit Unterlagen, die ich bei Morley zu Hause eingesammelt hatte,
und legte die Akten aus seinem Büro noch dazu. Ich ordnete alles alphabetisch
und rekonstruierte dann mühsam die Reihenfolge der Berichte, wobei ich mich
hauptsächlich an Morleys Rechnungen hielt. Ein paar Mal (so auch bei Rhe
Parsons) stand ein Name auf seiner Rechnung, ohne dass eine zugehörige Akte
existierte. Zu »Francesca V«, worunter ich die jetzige Mrs. Voigt vermutete,
fand ich zwar eine säuberlich gekennzeichnete Mappe, jedoch ohne Bericht. Das
Gleiche galt auch für eine gewisse Laura Barney, wohl Davids Ex-Frau. Hatte
Morley mit ihnen gesprochen oder nicht? Die ehemalige Mrs. Barney war offenbar
in irgendeiner Funktion an der Santa Teresa Medical Clinic beschäftigt. Morley
hatte eine Telefonnummer notiert, aber nichts verriet, ob er sie erreicht
hatte. Er hatte sechzig Stunden Befragungstätigkeit abgerechnet, in einigen
Fällen auch noch mit Spesenquittungen, aber an Material war nicht viel dabei herausgekommen.
Ich schrieb mir alle Namen auf, zu denen weder weitere Notizen noch ein
schriftlicher Bericht existierten.
Um halb elf hatte ich siebzehn Namen
auf meiner Liste. Zwei nahm ich mir als erste Stichprobe vor. Zuerst rief ich
Francesca an, die sofort abnahm und kühl und reserviert klang.
Ich stellte mich vor und vergewisserte
mich zunächst, dass sie wirklich Kenneth Voigts Frau war. »Ich ordne gerade ein
paar Unterlagen und habe mir gedacht, Sie könnten sich vielleicht erinnern,
wann Sie mit Morley Shine gesprochen haben.«
»Ich habe gar nicht mit ihm
gesprochen.«
»Überhaupt nicht?«
»Ich fürchte nein. Er hat vor drei
Wochen bei mir angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Ich rief zurück, und
wir haben einen Termin ausgemacht, aber dann war er aus irgendeinem Grund
verhindert. Ich habe gerade gestern Kenneth
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