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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Informationen zu sammeln. Lonnie Kingmans
Job ist es, die Fakten dem Gericht zu unterbreiten. Was sollte es Ihnen
bringen, mir irgendetwas zu erzählen? Das ist blödsinnig.«
    »Herrgott! Jemand muss mir doch
helfen.« Seine Stimme brach vor Erregung. Ich hörte, wie meine noch frostiger
wurde.
    »Reden Sie mit Ihrem Anwalt. Er hat Sie
von einer Mordanklage freigekriegt... bis jetzt jedenfalls. Ich an Ihrer
Stelle würde mir da nicht alles verpfuschen.«
    »Könnten wir uns treffen... nur ganz
kurz?«
    »Nein, ich kann mich nicht mit Ihnen
treffen!«
    »Lady, ich flehe Sie an. Nur fünf
Minuten.«
    »Ich werde jetzt einhängen, Mr. Barney.
Das geht so nicht.«
    »Ich brauche Hilfe.«
    »Dann beschaffen Sie sich welche. Meine
Dienste sind schon gebucht.«
    Ich legte den Hörer auf und zog
ruckartig die Hand zurück. War der Mann übergeschnappt? Das hatte ich noch nie
gehört: dass ein Beklagter versuchte, die Gegenseite für sich zu gewinnen.
Angenommen, der Kerl rückte mir in seiner Verzweiflung auf die Pelle? Ich griff
wieder zum Telefon und rief Ida Ruth an. »Was gibt’s?«
    »Der Kerl, der eben angerufen hat — haben
Sie ihm meinen Namen gesagt?«
    »Natürlich nicht. So etwas würde ich
nie tun«, sagte sie.
    »O Scheiße, jetzt fällt’s mir wieder
ein. Ich habe ihn selbst gesagt.«
     
     
     

9
     
    Ich versuchte Sergeant Cordero bei der
Mordkommission zu erreichen. Sie war nicht da, und Lieutenant Becker war am
Apparat. »Hi, hier ist Kinsey. Ich brauche eine Information und hatte gehofft,
Sheri könnte mir helfen.«
    »Sie kommt erst nach drei wieder, aber
vielleicht kann ich ja was für Sie tun. Worum geht’s?«
    »Ich wollte sie bitten, im
Bezirksgefängnis anzurufen und zu veranlassen, dass sich mal jemand die
Entlassungsformulare eines Burschen namens Curtis McIntyre anguckt.«
    »Augenblick. Ich brauche nur einen
Stift. McIntyre war der Name?«
    »Genau. Das ist ein Informant, den
Lonnie Kingman vor Gericht als Zeugen befragen will. Ich muss wissen, ob er am
einundzwanzigsten Mai vor fünf Jahren im Gefängnis saß. Das ist der Tag, an dem
er angeblich mit dem Beklagten gesprochen haben will. Ich kann mir die
Information auch auf dem offiziellen Weg beschaffen, aber es ist wahrscheinlich
nur ein Schlag ins Wasser, und ich habe keine Lust, den ganzen Aufwand auf mich
zu nehmen.«
    »Kann nicht so schwer sein, das
rauszukriegen. Ich rufe Sie wieder an, wenn ich es habe, wird aber vielleicht
ein Weilchen dauern. Ich hoffe, es ist nicht brandeilig.«
    »Je schneller, desto besser.«
    »Ist das nicht immer so?«, meinte
Lieutenant Becker.
    Als ich wieder aufgelegt hatte, dachte
ich über die Situation nach. Ich überlegte, ob es keinen schnelleren Weg gab,
die Sache nachzuprüfen. Natürlich konnte ich bis zum Nachmittag warten, aber
die Sache würde mir ständig im Kopf herumspuken. David Barneys Anruf hatte mich
beunruhigt und aus dem Konzept gebracht. Ich hatte keine Lust, meine Zeit damit
zu verschwenden, etwas zu überprüfen, was er sich vermutlich nur ausgedacht
hatte. Aber auf der anderen Seite baute Lonnie auf Curtis McIntyres Zeugenaussage.
Wenn Curtis McIntyre log, waren wir aufgeschmissen, vor allem, wenn sich
gleichzeitig auch noch Morleys Recherchen in Luft auflösten. Das war mein
erster Job für Lonnie. Ich konnte es mir nicht gut leisten, schon wieder
gefeuert zu werden.
    Ich ließ noch einmal mein Gespräch mit
Curtis im Gefängnis Revue passieren. Seiner Darstellung nach hatte er David
Barney am Tag des Freispruchs unmittelbar vor der Tür des Gerichtssaals
abgefangen. Auf David Barneys Anwalt Herb Foss könnte ich wohl kaum zählen, wenn
es darum ging, Curtis Aussage zu untermauern, aber vielleicht gab es einen
anderen Zeugen für diese Begegnung? All die vielen Journalisten mit ihren
Kameras und Mikrofonen.
    Ich schnappte mir meine Jacke und meine
Umhängetasche, verließ die Kanzlei und trabte zwei Ecken weiter zu der
Nebenstraße, wo es mir schließlich gelungen war, mein Auto in eine freie
Parklücke zu quetschen. Ich nahm den Capilla Boulevard zur anderen Seite der
Stadt, mitten durch das Geschäftsviertel, und fuhr den Berg jenseits des Freeway
hinauf.
    KEST-TV lag noch auf dieser Bergseite.
Von dem Steilabhang, auf dem das Sendergebäude thronte, hatte man ein
halbkreisförmiges Panorama über Santa Teresa vor sich: auf der einen Seite
Berge, auf der anderen den Pazifik. Es gab Stellplätze für etwa fünfzig Autos,
und ich parkte meinen Wagen auf einer als

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