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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dicken Sitzkissen aus blumengemustertem Chintz.
Der Pool war von Strahlern erhellt, ein schimmerndes blaugrünes Rechteck mit
einer Druckdüse am einen Ende. Dampfschwaden stiegen von der Oberfläche auf und
erzeugten eine milde, chlorhaltige Brise. Das Gras ringsherum wirkte üppig und
dunkel, das Haus hinter uns wie ein gelber Leuchtkörper.
    Guda erschien mit einer Flasche
Chardonnay in einem Kühler, zwei langstieligen Weingläsern und einem Tablett
mit verschiedenen Häppchen. Ich deponierte meine Füße auf einer
korbgeflochtenen Ottomane und sprach den kleinen Köstlichkeiten zu. Guda
brachte uns Knäcke-Kräcker, so krachig und geschmacksneutral wie Holzschindeln,
mit kleinen Häufchen von knoblauchigem Kräuter-Frischkäse garniert. Auf dem
Kräcker-Teller hatte sie außerdem noch thunfischgefüllte Cocktail-Tomaten und
hausgemachte Blätterteig-Käsesticks arrangiert. Nach meinem üppigen
Flocken-Mahl musste ich mich sehr bezwingen, um mich nicht auf die Häppchen zu
stürzen wie ein hungriger Hund. Ich kostete den Wein, eine seidige Mischung aus
Apfel und Eiche. Arme, geschundene Privatdetektive leben kaum je so. Wir toben
unsere Luxusbedürfnisse auf der Ebene von offenem Tischwein aus. »Sie haben’s
gut«, sagte ich.
    Francesca musterte ihre Umgebung, als
sähe sie alles durch meine Augen. »Komisch, dass Sie das sagen. Ich denke
daran, Kenneth zu verlassen. Ich werde warten, bis der Prozess vorbei ist, aber
dann wüsste ich nicht, was mich noch halten sollte.«
    Dieses Geständnis verblüffte mich. »Im
Ernst?«
    »Ja, im Ernst. Es ist eine Sache der
Prioritäten. Seine Liebe zu gewinnen erschien mir früher so wichtig. Jetzt
merke ich, dass mein Glück überhaupt nichts mit ihm zu tun hat. Er hat zu mir
gehalten, über die Operation und die Chemotherapie hinweg, und ich bin ihm sehr
dankbar dafür. Ich habe eine Menge Horrorgeschichten gehört, von Ehepartnern,
die dem Dauerstress gegen Krebs nicht gewachsen sind. Ich bin diejenige, die
sich verändert hat. Dankbarkeit macht noch keine Ehe. Ich bin eines Morgens
aufgewacht und habe gemerkt, dass ich nicht mehr ich selbst bin.«
    »Was hat diese Erkenntnis ausgelöst?«
    »Nichts Bestimmtes. Das ist, als ob man
in einer Dunkelkammer sitzt und plötzlich das Licht angeht.«
    »Was wollen Sie tun, wenn Sie ihn
verlassen?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber
irgendetwas Simples. Für mich ist dieses Haus wahrscheinlich genauso
erstaunlich wie für Sie. Ich bin nicht reich geboren. Mein Vater war
Hausmeister in einer Grundschule, und meine Mutter hat in einer Apotheke
gearbeitet und die Regale mit Zahnseide und Gurgellösung aufgefüllt.«
    Ich musste über das Bild lachen. »Aber
Sie wirken, als gehörten Sie hierher.«
    »Ich weiß nicht recht, ob das ein
Kompliment ist. Ich lerne schnell. Als ich Kenneth kennen lernte, habe ich die
Leute in seiner Umgebung genau beobachtet. Ich habe herausgefunden, wer
wirklich Klasse hatte, und den Betreffenden alles nachgemacht, mit ein paar
eigenen Schnörkeln, als persönliche Note. Das ist alles nur eine Reihe von
Tricks. Ich könnte es Ihnen an einem Nachmittag beibringen. Es ist ganz
amüsant, aber nicht weiter wichtig.«
    »Finden Sie es nicht toll, das alles zu
haben?«
    »In gewisser Weise schon. Ich meine,
natürlich ist es nett, aber ich verbringe meine Tage meistens im Nähzimmer. Das
könnte ich woanders auch.«
    »Ich kann’s nicht fassen, dass Sie so
etwas sagen. Ich hatte gehört, Kenneth sei für Sie alles.«
    »Das habe ich auch gedacht, und das war
wohl auch so. Zu Anfang unserer Beziehung war ich total verliebt in ihn. Es war
fast schon so etwas wie Besessenheit. Ich hielt ihn für mächtig und stark, klug
und verantwortlich. Sehr männlich«, sagte sie mit tiefer Stimme. »Er entsprach
genau meinem Idealbild von einem Mann, aber soll ich Ihnen etwas verraten? Er
hat sich als ziemlich seicht entpuppt, was nicht heißen soll, dass ich mich für
besonders tiefgründig halte. Ich bin eines Morgens aufgewacht und dachte: Was
tue ich da? Es ist wirklich mühsam, mit ihm zusammen zu sein. Er liest nicht.
Er denkt nicht über die Dinge nach. Er hat vorgefasste Ansichten, aber keine
eigenen Ideen. Und die meisten seiner Ansichten bezieht er aus Time-Magazine. Er ist emotional so abgeschottet, dass ich mich fühle, als würde ich in der
Wüste leben.«
    »Das gilt für die meisten Leute, die
ich kenne«, sagte ich.
    »Kann sein. Vielleicht liegt es ja auch
an mir, aber er hat sich in den letzten Jahren

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