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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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und David haben sich bei der
Arbeit kennen gelernt? In Peter Weidmanns Firma?«
    »Genau. Es war >Liebe auf den ersten
Blick<«, sagte sie, wobei sie mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft
malte.
    »Glauben Sie, er hat sie umgebracht?«
    »David? Ich weiß nicht recht, was ich
darauf antworten soll. Während der Prozess lief, war ich fest davon überzeugt,
aber inzwischen erscheint es mir nicht mehr so plausibel. Ich meine, sehen Sie
sich die Sache doch mal genauer an. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie
>weiblich< diese Mordmethode war? Es erstaunt mich schon die ganze Zeit,
dass das noch niemand angesprochen hat. Das mag vielleicht sexistisch klingen,
aber es hat doch schon fast etwas >Steriles<, jemanden durch einen
Tür-Spion zu erschießen. Vielleicht ist das ja nur ein Vorurteil, aber ich denke,
wenn Männer töten, tun sie es gewaltsamer und direkter. Sie würgen oder
schlagen oder stechen zu. Das ist geradeheraus. Und wenn sie schießen, dann
gehen sie hin und BUMM! Sie ballern ihr Opfer über den Haufen, aber sie
schleichen sich nicht heimlich an.«
    »Mit anderen Worten: Männer töten Auge
in Auge.«
    »Genau. Wenn man durch einen Spion
schießt, braucht man sich der Wirkung nicht zu stellen. Man muss es nicht mal
aushalten, das Blut zu sehen, geschweige denn, sich damit zu beflecken.
David mag sie ja verfolgt haben, aber er hat es so offenkundig getan, vor
Gottes und vor unser aller Augen. Gerichtliche Verfügungen, Polizei,
Schreiereien am Telefon. Da müsste ihm doch klar gewesen sein, dass der
Verdacht zuallererst auf ihn fällt. Und diese Geschichte mit dem Joggen! So
etwas Idiotisches. Glauben Sie mir, der Mann ist clever. Wenn er es gewesen
wäre, hätte er sich bestimmt ein besseres Alibi einfallen lassen.«
    »Aber worauf wollen Sie hinaus? Sie
müssen doch irgendeine Theorie haben, sonst würden Sie das ja wohl nicht
sagen.«
    »Simone käme auch in Frage.«
    »Isabelles Zwillingsschwester ?«
    »Kennen Sie die Geschichte nicht?«
    »Ich fürchte, nein«, sagte ich. »Aber
ich bin sicher, Sie werden mich aufklären.«
    Sie lachte über meinen Ton. »Also,
passen Sie auf. Die beiden haben sich nie besonders gut verstanden. Isabelle
tat, was ihr gefiel, und Simone war meistens die Dumme. Isabelle hatte alles — jedenfalls
äußerlich gesehen: Schönheit, Talent, ein reizendes Kind. Und genau das war der
wunde Punkt. Simone wollte ein Kind, mehr als alles auf der Welt. Ihre
biologische Uhr stand schon auf Sommerzeit. Ich nehme an, Sie haben sie
getroffen?«
    »Ich habe gestern mit ihr gesprochen.«
    »Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass sie
hinkt?«
    »Doch, natürlich, aber sie hat nicht
darüber gesprochen, und ich habe nicht gefragt.«
    »Ein schlimmer Unfall. Und Isabelles
Schuld. Das war vor sieben Jahren, wenn ich mich recht erinnere, etwa ein Jahr
vor Iz’ Tod. Iz war betrunken nach Hause gefahren und hatte das Auto in der
Einfahrt stehen lassen, ohne die Handbremse anzuziehen. Der Wagen machte sich
selbstständig und rollte den steilen Hang hinunter, pflügte durch die Büsche
und wurde immer schneller. Simone war unten am Briefkasten, und er erwischte
sie mit voller Wucht. Zertrümmerte ihr das Becken und den Oberschenkelknochen.
Es hieß zuerst, sie würde nie wieder laufen können, aber sie hat es geschafft.
Sie haben es ja selbst gesehen. Sie ist wieder ganz gut zu Fuß.«
    »Aber mit dem Kinderkriegen war es
aus.«
    »Richtig. Und was noch dazu kam: Sie war
damals verlobt, und der Mann hat sie sitzen lassen. Er wollte eine Familie.
Punkt, Ende. Das hat Simone den Rest gegeben.«
    Ich musterte ihr Gesicht und versuchte,
das Gewicht dieser Information abzuschätzen. »Nicht von der Hand zu weisen«,
sagte ich.
     
     
     

13
     
    Auf dem Heimweg schaute ich noch bei
Rosie vorbei. Ich hänge normalerweise nicht in Lokalen herum, aber ich war
unruhig und hatte keine Lust, allein zu sein. Bei Rosie kann ich hinten in
einer Nische sitzen und über das Leben meditieren, ohne angestarrt, angemacht,
angequatscht oder angepflaumt zu werden. Außerdem dachte ich, nach dem Wein bei
Francesca könnte mir ein Kaffee nicht schaden. Nicht, dass ich ihn nötig gehabt
hätte. um wieder nüchtern zu werden. Der Wein bei Francesca war so zart und
delikat gewesen wie ein Veilchen. Der Weißwein bei Rosie kam aus großen
Zwei-Liter-Schraubflaschen, die man hinterher zum Lagern von Benzin und anderen
leicht entzündlichen Flüssigkeiten verwenden konnte.
    Es war ziemlich viel los. Ein Kegelclub
war da,

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