Dringernder Verdacht
wo während der Arbeitszeit die Geschäfte abgewickelt wurden.
Ich sah, wie er sich in irgendjemandes Drehsessel niederließ. Er drückte eine
Nummer, lehnte sich zurück und behielt mich im Auge, während er wartete.
Offenbar nahm am anderen Ende jemand ab, denn er merkte plötzlich auf und
begann gestikulierend zu reden. Er schaffte es, auch aus der Ferne noch
zugeknöpft und unerbittlich zu wirken.
Vermassle bloß nichts, ermahnte ich
mich. Halt dein Mundwerk im Zaum. Der Mann war Lonnies Klient, nicht meiner,
und ich konnte es mir nicht erlauben, ihn gegen mich aufzubringen. Ich
spazierte im Ausstellungsraum herum, in der Hoffnung, so meinen natürlichen
Impuls zu bezwingen, mich aus dem Staub zu machen. Gefeuert zu werden hatte mir
einigen Schneid abgekauft. Ich konzentrierte mich auf meine Umgebung, sog die
Aura der Eleganz in mich auf.
Es roch ansprechend nach Leder und
Autowachs. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlte, genügend Kohle auf dem
Konto zu haben, um mehr als zweihunderttausend Dollar für einen Wagen
hinzublättern. Ich stellte mir vor, dass die Transaktion mit viel Schmunzeln
und wenig Schachern vor sich ging. Wer sich einen Rolls-Royce leisten konnte,
musste ja wissen, dass es ihn eine hübsche Stange Geld kosten würde, den Fuß
durch diese Tür zu setzen. Was gab es da groß zu handeln? Für welche Summe der
alte Bentley in Zahlung genommen würde?
Mein Blick blieb an einem Corniche III
hängen — ein zweitüriges, rotes Kabriolett. Das Verdeck war offen. Die Sitze
und Polsterteile waren mit rot gepaspeltem, cremeweißen Leder bezogen. Ich sah
zu Voigt hinüber. Er war von seinem Telefonat völlig in Anspruch genommen. Ich
öffnete die Fahrertür des Rolls und stieg ein. Nicht übel. Eine Liste der
technischen Daten steckte, auf Pergament gedruckt und in Leder gebunden, im
Handschuhfach. Sie sah aus wie die Weinkarte eines teuren Restaurants. So etwas
Vulgäres wie ein Preis war nirgends aufgeführt, aber ich erfuhr, dass das
Leergewicht des Fahrzeugs 2430 kg betrug und das Kofferraumvolumen 0,27 m 3 .
Ich studierte die Instrumente und Schalter am Armaturenbrett und bewunderte die
Walnuss-Intarsien. Ich fuhr los, indem ich das Steuerrad hin- und herdrehte und
dazu Reifenquietsch-Geräusche machte. James Bond im Tunten-Dress. Ich war
gerade im Begriff, eine Haarnadelkurve in einer Bergstraße oberhalb von Monte
Carlo zu nehmen, als ich plötzlich Voigt neben dem Wagen stehen sah. Ich
spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. »Wirklich schön«, murmelte ich. Ich
wusste, ich sagte es nur, um mich bei ihm einzuschleimen, aber ich konnte nicht
dagegen an.
Er öffnete die Tür und schlüpfte auf
den Beifahrersitz. Er betrachtete liebevoll das Armaturenbrett und strich dann
über das geschmeidige Leder des Notsitzes. »Vierzehn Häute für jeden Corniche.
Nach Geschäftsschluss setze ich mich auch manchmal hier rein.«
»Sie sind der Inhaber dieses Ladens und
fahren selbst keinen Rolls?«
»Noch kann ich es mir nicht ganz
leisten«, sagte er. »Ich hatte vor, mir einen zu kaufen, wenn wir diesen
Prozess gewinnen, einfach nur aus Spaß.« Sein Gesichtsausdruck war gequält.
»Nach dem, was Rhe mir gesagt hat, haben Sie da in einem Hornissennest
gestochert. Sie spricht davon, Sie und Lonnie zu verklagen, dass Ihnen Hören
und Sehen vergeht.«
»Weswegen?«
»Keine Ahnung. Heutzutage braucht man
doch keinen Grund, um jemanden zu verklagen. Weiß der Himmel, welche Folgen das
für meinen Prozess haben wird. Ihr Auftrag ist es, Zeugen heranzuschaffen. Sie
hatten keine Weisung, irgendwelchen anderen Dingen nachzugehen.«
»Ich kann den juristischen Aspekt der
Situation nicht beurteilen — das ist wirklich Lonnies Job...«
»Wie ist es bloß dazu gekommen? Das
verstehe ich nicht.«
Bemüht, nicht in einen defensiven Ton
zu verfallen, erzählte ich ihm von meinem Gespräch mit Barney und von all dem,
was ich seither herausgefunden hatte. Ich setzte an, ihm die Sache mit Tippy und
dem Tod des alten Mannes näher zu erläutern. Voigt ließ mich nicht weiterreden.
»Das ist doch einfach lächerlich.
Völlig absurd! Morley hat monatelang an dieser Sache gearbeitet, und er ist nie
auf die Idee gekommen, Tippy diese Fahrerfluchtgeschichte anzuhängen.«
»Das stimmt nicht. Er war auf der
gleichen Spur wie ich. Er hatte sogar schon Fotos von dem Lieferwagen ihres
Vaters gemacht, was für mich der nächste Schritt gewesen wäre. Ich habe dieses
Foto der Zeugin vorgelegt, und sie hat den
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