Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Königsweg der Sport berichterstattung, aber das nur nebenbei.
Also habe ich Henry von vornherein versichert: »Keine Sorge. Ich spiele dir die Bälle flach hin, wie es jahrelang bei Delling und Netzer funktioniert hat, und du verwandelst.« Ich habe ihm einfach nur die Fragen gestellt, von denen ich geglaubt habe, dass sie sich die Leute daheim auf der Couch auch stellen – übrigens eine von vielen Kollegen weithin unterschätzte Vorgehensweise bei Sportsendungen, aber dennoch sinnvoll. Wenn der Moderator nämlich so superg’scheit ist (oder tut), dass dem Experte nur »Genau!« und »So ist es« zu sagen bleibt, kann man sich das ganze Analysieren sparen.
Sehr geholfen hat auch, dass ich Henry von Anfang an zur Nachbesprechung an die Bars dieser Welt verpflichtet habe. Zur dreizehnten Runde, wie es beim Boxen heißt, in Entsprechung zur dritten Halbzeit beim Fußball oder dem neunzehnten Loch beim Golf. Das war zuerst nicht ganz einfach, der Mann ist nämlich Asket, am Abend läuft er zehn Kilometer, und am nächsten Tag in der Früh läuft er gleich noch mal. Auch hier hat sich unsere Herangehensweise an so eine Boxübertragung stark unterschieden. Denn da halte ich es mit Mark Twain: »Ich bewege mich nur noch, wenn ich zu den Beerdigungen meiner sporttreibenden Freunde gehe.«
Aber Henry ist immer tapfer mitgegangen. Und nach drei oder vier Boxabenden kamen ganz erstaunte Menschen aus der Boxbranche auf mich zu, von Ulli Wegner bis Wilfried Sauerland, und wollten wissen: »Waldi, was hast du mit Henry gemacht? Der sitzt bis morgens um vier mit dir an der Bar und trinkt sogar Weinschorle oder Gin Tonic. Das ist nicht mehr unser Henry Maske.« Aber es war mein Henry Maske. Und als ich ihn bei einem der ersten Kämpfe vor die Wahl gestellt habe: »Entweder du trinkst jetzt einen Wodka mit mir, sonst wird das nichts«, war der Bann endgültig gebrochen. Von da an galt der alte Spruch von Manfred Wolke: »Det läuft, Henry, det läuft.«
In den Jahren danach habe ich einen Menschen kennengelernt, auch privat mit Ela, seiner wunderbaren Frau, der extrem ehrlich ist und der mit seinen Schnellrestaurants auch nach seiner Boxkarriere bewundernswert erfolgreich ist. Ich glaube, Henry hat mittlerweile vierhundert Mitarbeiter, er betreibt diesen Beruf mit der gleichen Hingabe und der gleichen Konsequenz wie früher das Boxen – er ist einer der herausragenden Menschen, die ich in den letzten Jahrzehnten kennenlernen durfte.
Als ich nach dem Aus von Waldis Club dem Spiegel ein Interview gegeben habe, war mir natürlich klar, dass auch das Boxen damit für mich vorbei ist. Danach hat sich Marco Huck öffentlich für mich aus dem Fenster gelehnt und in einem Interview gesagt: »Ich finde das sehr traurig. Waldi gehört zum Boxen. Man kann sich ARD -Boxen ohne den ex zellenten Fachmann nur schwer vorstellen. Außerdem ist er ein sehr lieber Mensch, ich kam immer sehr gut mit Waldemar Hartmann klar und bin sehr traurig.« Und Arthur Abraham meinte: »Waldemar Hartmann hat mir immer Glück gebracht bei meinen Kämpfen. Ich finde es sehr schade, dass er ab Januar nicht mehr beim Boxen dabei ist.« Ich weiß, dass Marco und Arthur dafür intern im Sauerland-Stall mächtig einen auf den Deckel bekommen haben, weil solche offenen Worte für das sensible Verhältnis zur ARD , die den Stall ja praktisch finanziert, nicht unbedingt förderlich sind.
Marco Huck wurde, wie mir zu Ohren kam, sogar mit ernst haften Konsequenzen gedroht, wenn er sich noch einmal öffentlich pro Hartmann äußert.Trotzdem hat er mir im November 2012 nach seinem Kampf gegen Firat Arslan in Halle noch einmal öffentlich gedankt – nach einem Kampf, in dem er von 5000 Zuschauern ausgepfiffen wurde, nach dem er unter Vollstress stand und mit seiner Leistung mehr als unzufrieden war. Da knie ich nieder. Aber so ist es, dieses oft so verrufene Boxgeschäft. Solche Äußerungen von Lahm oder Schweinsteiger kann ich mir eher nicht vorstellen.
Und Henry ist bei einer internen Sitzung vor einem Kampf aufgestanden und hat gesagt: »Ich finde die Entscheidung gegen Waldi nicht in Ordnung, weil es eine politische Entschei dung ist, die nichts mit seiner Qualität und seinem Können zu tun hat.« Ein weniger aufrechter Kerl als Henry Maske wäre sitzen geblieben und hätte sich gedacht, der Hartmann ist eh bald weg, was soll ich mir Ärger einhandeln? Nicht so Henry. Er hat Klartext gegenüber den Leuten geredet, die ihn bezahlen.
Doch lieber wieder zu den
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