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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Helden in der Szene. Und als ich Sven Ottke frage: »Was sagst zum Powetkin?«, fragt er zurück: »Wer is’n det?« Irgendwann hab ich dann richtig Klartext geredet: »Svenni, du bist ein Großer, ich gönne dir dein Dolce Vita – aber das mit dem Experten ist nichts für dich.« Hat er dann auch eingesehen.
    Wobei ich nach drei Jahrzehnten Zusammenarbeit mit ganzen Heerscharen von Experten sagen muss: Es gibt viele Ottkes. Der Wasi hat auch oft genug nicht gewusst, wie der Skifahrer genau heißt, der da gerade den Berg runterfährt und über den er gerade redet. Der Nachname ist ja meistens eingeblendet, wofür der Experte an sich oft dankbar ist, beim Vornamen hat es dann schon öfter mal ausgebissen beim Wasi. Klar: Für das Biografische ist natürlich der Moderator zuständig. Aber es ist schon hilfreich, wenn der Experte eine ungefähre Vita der Sportler im Kopf hat. Nur der Franz muss das nicht, bei dem reicht es, wenn er sagt, »Der Fünfer von den Russen«. Meine Skiexpertin Martina Ertl war dagegen immer perfekt präpariert. Die hatte Ahnung, ist frisch, schaut gut aus, kann sich artikulieren – ich verstehe bis heute nicht, warum die ARD mit ihr nicht weitermachen wollte. Wobei: So unglaublich viel Ahnung von dem Sport, den wir moderieren, haben wir Moderatoren ja auch nicht immer. Als es mich als Kommentator zum Skispringen verschlagen hat, war meine Erfahrung beim Herunterspringen von Skisprungschanzen mehr als überschaubar. Aber in so einer Situation denk ich mir halt: Man muss kein Rindvieh sein, um ein Kalbsschnitzel beurteilen zu können.
    Nach Sven Ottke kam jedenfalls Henry Maske als Experte ins Erste. Und wo Sven Ottke untervorbereitet schien, da war Henry übervorbereitet. Der helle Wahnsinn, was er alles weiß. Eine Box-Wikipedia. Da kannst du, auf gut Bayrisch, nur mit den Ohren schnackeln. So wie Henry geboxt hat, so analy siert er. Bloß nichts dem Zufall überlassen. Wir waren uns nicht immer einig, weil Henry das Boxen als Philosophie versteht, als Teil des großen Ganzen, als erhabene geistige Auseinandersetzung. Ich bin dagegen der Meinung, dass Boxen nur inso fern mit Schopenhauer zu tun hat, dass auch der ein »Hauer« war, zumindest dem Namen nach.
    »Henry, es kommt beim Boxen nur darauf an, dass einer den anderen umhaut«, habe ich ihm gern gesagt. Mein Boxen spielt sich in den Fäusten ab, Henrys Boxen im Kopf, was er in seiner Karriere ja meisterhaft bewiesen hat. Für ihn ist Boxen so etwas wie Fechten mit Handschuhen. Ich kann mich erinnern, ich habe einige seiner Kämpfe gesehen – aber nicht allzu viele, weil mir das einfach zu langweilig war. Ich war eher Rocky: »Jegner am Boden, jutet Jefühl.« Aber in seinen beiden Kämpfen gegen Rocchigiani hast du natürlich gesehen, dass Henry ganz genau weiß, was er tut. Da hat er einen wilden Straßenkämpfer, einen Kläffer, nach allen Regeln der Kunst schachmatt gesetzt – natürlich mit den Fäus ten, aber vor allem mit der Birne. Weil er ganz einfach schlauer war. Das hat mich schwer beeindruckt.
    Und trotz unterschiedlicher Sicht auf den Boxsport – ich habe mich in diesen fünf Expertenjahren wunderbar mit Henry verstanden, und er hat der ganzen Veranstaltung enorm gutgetan. Denn natürlich wirst du beim Boxen immer angefeindet, auch ARD -intern, viele rümpfen die Nase – für die ist das nicht mehr als eine aufgeblasene Klopperei. Aber mit einem Vorzeigesportler wie Henry, einem weltgewandten absoluten Superstar, bringst du natürlich ein gewaltiges Pfund auf die Waage. Henry hat unsere Boxabende veredelt – als Person wie auch inhaltlich. Und ich bin mir sicher: Als 2011 in der ARD zum großen Halali auf die Boxübertragungen geblasen wurde, als man finster entschlossen war, die Nummer zu killen – da hat Henry, der wie eine Eins hinter diesen Sendungen stand, entscheidend zum Überleben beigetragen.
    Bei Henry und mir war von Anfang an klar: Ein Duo funktioniert nur zu zweit. Klingt platt, ist aber wichtigste Voraus setzung bei der Zusammenarbeit von Moderator und Experte. Er versteht was vom Boxen, ich verstehe was vom Moderieren – wenn sich das positiv ergänzt, wird ein Schuh draus. Am Anfang war Henry aus gutem Grund vorsichtig: »Als Experte bei RTL war es oft so, dass ich dem Moderator in den Vorgesprächen alles zum Kampf erzählt habe – und dass ich danach meine Informationen als gesammeltes Wissen des Moderators in den Sendungen wiedergehört habe.« Hier spricht man vom Floriansprinzip oder auch vom

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