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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Redakteur ließ allerdings den Vater sterben.
    Natürlich hätte ich das noch mal prüfen müssen. Das Internet war schließlich 2007 längst erfunden, ein Klick hätte Vater Blin auferstehen lassen. Aber wie es halt so ist: Hektik vor dem Kampf. Und irgendwo muss ich mich ja auch auf einen leibhaftigen Redakteur verlassen können. Also verkünde ich live vor 7 , 5 Millionen Menschen an den Geräten daheim, dass Ali 1971 in Zürich gegen den mittlerweile verstorbenen Jürgen Blin gekämpft hat. Nach dem Motto: Da staunt ihr, was der Waldi alles so weiß!
    Bloß sitzt der alte Blin in diesem Moment wohl zu Hause vor dem Fernseher, schaut uns beim Boxen zu und wundert sich sehr über seinen unerwarteten Tod. Die Hamburger Bild wundert sich ebenso und ruft gleich bei Blin an: »Alter, was sagst du dazu, dass du tot bist?« Am Montag dann riesengroß in der Bild (der Kampfausgang hat keinen Menschen mehr interessiert und war nur noch zwanzig Zeilen wert) die balkendicke, blutrote Überschrift: »Box-Held Jürgen Blin: Waldi hat mich für tot erklärt!«
    Da wusste ich natürlich schon, was los war. Denn nach dem Kampf, VIP -Party, ich nachts um zwei am Buffet. Der alte Sportjournalisten-Fahrensmann Hartmut Scherzer, dem in Sachen Boxen und Radsport keiner etwas vormachen kann, kommt zu mir und schmunzelt: »Hör ma, die FAZ hat mich angerufen. Ich soll einen Nachruf auf den Blin schreiben.« Nach diesem Satz war mir mit einem Schlag alles klar: »Der ist gar nicht tot, oder?« Eigentlich hatte ich es ja geahnt, von Anfang an. Künstlerpech.
    Bild rief am Sonntag gegen elf Uhr in der Früh bei mir an – klassische Bild -Uhrzeit, wenn etwas schiefgelaufen ist. Ich war sofort umfassend geständig. Der freundliche Boulevardkollege Jörg Lubrich wusste auch schon, dass der tote Blin nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern eine Erfindung meines Redakteurs war. Recherchieren können Sie nun mal bei Bild . Und er sagte mir auch: »Weißt du Waldi, deinen Redakteur kennt kein Mensch. Aber dich kennen die Leute. Also müssen wir die Geschichte auf dich drehen.« Blin gab dann auch tüchtig Gas in der Zeitung und erklärte: »Frechheit, das hat mich fast aus dem Sessel gehauen. Ich bin fit wie ein Turnschuh und fordere eine Richtigstellung in der Tagesschau .« Ich dachte mir beim Lesen: Genau, am besten als erste Meldung – und vorgelesen vom Bundeskanzler persönlich.
    Das Ende vom Lied: Dicke Entschuldigung bei Blin, wir haben ihn zum nächsten Kampf nach Rostock eingeladen, wo er einen recht lebendigen Eindruck machte und live vor einem Millionenpublikum Wiederauferstehung feiern durfte. Durch das wunderbare Internet, das nichts vergisst, geistert diese Geschichte bis heute. Und immer, wenn irgendwo eine Rangliste der schönsten Fernsehpleiten und -pannen aufgestellt wird, muss Blin wieder unter die Erde. So oft wie Jürgen Blin ist garantiert kein anderer Mensch je gestorben.

27
    … UNTER ANDEREM MIT WALDEMAR HARTMANN
    Das Ende von Waldis Club
    Und dann war Schluss mit dem Club . Und mit dem Boxen. Und überhaupt, mit dem Moderieren im Ersten Deutschen Fernsehen.
    Mit mir hat in sechs Jahren Waldis Club nie jemand von den Verantwortlichen der ARD über Form und Inhalt der Sendung geredet, weder aus der Programmdirektion noch aus der Sportkoordination. Auch inhaltliche Vorgaben und Wünsche gab es keine. Okay, ich habe 2010 , nach der WM in Südafrika, einen wunderbaren Brief von Programmdirektor Volker Herres bekommen, wie klasse die Sendung gewesen sei, wie toll die Quoten waren. Herres mochte das Format, und vor allem mochte er die Quoten, das hat er mir damals sogar schriftlich gegeben. Damals ließ er zudem das erste und einzige Mal die Lindenstraße ausfallen, um den Club zeigen zu können. Und RTL hat die Vorberichterstattung zu seinen WM -Spielen nach hinten verschoben, um uns auszuweichen – weil die Quoten im Vergleich zu uns alles andere als gigantisch waren, und das trotz der Giganten Jauch und Klopp.
    Nach dem Umzug nach Leipzig 2010 hat der MDR richtig Gas gegeben für die Sendung, hat den Club mit Verve unterstützt. Die haben getrailert, bei Brisant ein »Making of« gezeigt, im MDR -Radio dafür getrommelt, die haben ge twittert und gefacebooked und alles, was man heute so braucht. Wo der MDR die Werbetrommel rühren konnte, hat er das auch gemacht. Das war hervorragend. So etwas kannte ich vom Bayerischen Rundfunk nicht, der hat die Sendung ja immer mit engagiertem Desinteresse begleitet. Auf Anweisung

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