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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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erfreulicheren Boxgeschichten. Eine für mich unvergessene Begebenheit könnte unter diesem nur leicht größenwahnsinnigen Titel laufen: Wie der Ringarzt und ich Markus Beyer 2003 den WM -Titel gerettet haben. Und das war so: Der Kampf gegen den Australier Danny Green fand am Nürburgring statt, als Doppelveranstaltung mit der DTM . Weil der verehrte Kollege Ben Wett wegen eines Streiks nicht rechtzeitig aus den USA einfliegen konnte, war ich Moderator und Ringsprecher in Personalunion. Leicht ge schwächt war ich außerdem, weil am Abend davor Norbert Haug eine Party geschmissen hatte – und wenn der ehemalige Mercedes-Sportchef eine Party schmeißt, dann weißt du, was das Wort Feiern bedeutet. Und wenn du dich am nächsten Morgen noch erinnern kannst, was los war, dann warst du nicht dabei. Seine Autos sind mir wurscht, seine Partys waren die legendärsten.
    An diesem Abend war ich also in Personalunion Werfer, Flieger und Fänger im großen Boxzirkus. Markus Beyer hatte nicht mit Norbert Haug gefeiert, war dennoch geschwächt und ließ sich anständig vermöbeln. Der Australier kämpfte mit allen möglichen und unmöglichen schmutzigen Tricks und versuchte in der fünften Runde, eine Kopfwunde von Beyer durch einen Kopfstoß noch zu verschlimmern – ein böses Foul, im Fußball eine dunkelrote Karte. Der Ring arzt, mein alter Spezi Prof. Dr. Walter Wagner, bedeutete dem US -Ringrichter: »Aus, vorbei, Abbruch!«
    Der Ringrichter sammelte die Punktzettel der Kampfrichter ein, und keiner wusste, wer gewonnen hatte. Beyer, als Opfer einer schweren Regelverletzung? Oder Green, nachdem sein Gegner nicht mehr weiterkämpfen konnte? Totale Konfusion beim Publikum und bei allen Beteiligten, vor allem wegen der völlig unterschiedlichen Regeln der vier Weltboxverbände. Der Ringsprecher und der Moderator, beides ich, waren sich aber sicher, und das habe ich auch Walter zugerufen: »Der Green hat gewonnen. Das steht auch auf dem Urteil, das ich gerade bekommen habe.« Deshalb war ich über zeugt: WM -Titel perdu. Heute Nacht wieder kein Grund zur Feier für Beyer.
    Walter, ein mit allen Wassern und Abwassern gewaschener Regelexperte, ist stocksauer, ruft mir zu: »Dieses Urteil kannst du nicht verkünden, das ist gegen die Regeln! Ich nehm den Beyer doch nur aus dem Kampf, damit er gewinnt, damit er Weltmeister bleibt.« Ich zurück: »Walter, wenn das so ist, dann muss jetzt langsam was passieren. Die Leute daheim und in der Halle warten auf die Urteilsverkündung.« Also stürmt Walter auf den Ringrichter zu, redet auf ihn ein wie auf einen toten Gaul, rennt weiter zur WBC-Vizepräsidentin. Die Dame muss aber erst das Regelbuch aus dem Kofferraum ihres Autos vor der Halle holen – es war ein Riesenchaos. Wir haben das danach noch mal gestoppt: Ich habe elf Minuten lang praktisch kein Wort gesagt, was viele Menschen gefreut haben dürfte, und einfach nur mein Mikrofon in diese Diskussion gehalten. Einer meiner wenigen Sätze war: »Liebe Zuschauer, wir nehmen jetzt gerade live an der Urteilsfindung teil.« Und plötzlich bekomme ich ein neues Urteil in die Hand gedrückt: Markus Beyer bleibt Weltmeister! Na also, geht doch! Wenn ich das erste Urteil verlesen hätte, was mein Job gewesen wäre, hätte der andere gewonnen, dann wären Tatsachen geschaffen worden. Ende, over. Am nächsten Tag kommt Markus Beyer mit dickem blauen Auge zu mir, umarmt mich und sagt: »Waldi, Danke! Walter und du, ihr habt mir den Arsch gerettet.«
    Einen Boxer habe ich allerdings auf dem Gewissen: 2007 habe ich den ehemaligen deutschen Schwergewichtsmeister Jürgen Blin unter die Erde gebracht. Anlass war ein WM -Kampf von Nikolai Walujew in Basel gegen den Amerikaner Jameel McCline. Im Vorfeld hatten wir in der Redaktion darüber gesprochen, dass es schon einmal einen ganz großen Schwergewichtskampf in der Schweiz gegeben hat: 1971 , Muhammad Ali gegen ebendiesen Blin. Und mein Redakteur steckte mir noch die exklusive Info, dass Blin mittlerweile verstorben sei. Ich fragte sogar nach, und der Redakteur blieb felsenfest dabei: Ja, Blin ist tot. Daran konnte ich mich zwar nicht erinnern, aber ich dachte mir halt: Mein Gott, hast du wohl überlesen – wenn Jürgen Blin stirbt, steht das ja auch nicht unbedingt groß auf zwei Seiten in der Süddeutschen . Das mit dem toten Blin stimmte auch, zumindest beinahe: Blin war tatsächlich gestorben, allerdings nicht Vater Jürgen, sondern Sohn Knut Blin, der 2004 Selbstmord begangen hatte. Mein

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