Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
Vom Netzwerk:
stattfand, war eine Art DJ -Casting. Probe-Schallplatten-Auflegen.
    Es war tatsächlich ein Riesenladen, und er war bumsvoll. Damals haben die DJ s ja nicht nur Scheiben abgedudelt, sondern dabei auch noch gebabbelt. Ich habe meine Platten aufgelegt, ich habe gebabbelt – und die wollten mich tatsächlich nehmen. Und mir 1000 Mark im Monat zahlen. Eintausend harte deutsche Mark! Weniger als mein Freund aus dem Ruhr pott, aber immer noch sagenhaft viel. Ein Schweinegeld und mehr, als mein Vater verdiente.
    Damit war es so weit: No more Nordstern! Dienstantritt in Augsburg zum nächsten Ersten des Monats. Die Begeisterung meiner Eltern fiel überschaubar aus. Discjockey, was ist das? Platten auflegen und dazu was sagen – das ist doch kein Beruf. Versicherungskaufmann, das ist ein Beruf!
    Die Botschaft war eindeutig: Jetzt hast du schon kein Abitur gemacht – und nun das. Meine Eltern sahen das Leben ihres Stammhalters endgültig im tiefen Elend enden. Aber 1000 Mark im Monat waren ein anständiges Argument, das selbst meine alten Herrschaften verstanden. Auch wenn mein Vater nicht nachvollziehen konnte, wie man für keine Arbeit so viel Geld kriegen konnte. Trotzdem leistete er die Unterschrift, die er leisten musste, um den Versicherungsvertrag aufzulösen.
    Manchmal denke ich mir heute noch: Wenn der Höllerich mich nicht angerufen hätte, wäre ich nie nach Augsburg gekommen. Dann gäbe es keinen Sportjournalisten Hartmann, sondern vielleicht den erfolgreichen Versicherungsgeneralagenten Hartmann mit noch dickerem Bauch, wer weiß das schon? Aber ich bin froh, dass Gerd angerufen hat. Wäre ich nicht nach Augsburg gekommen, wäre alles anders gelaufen. Sein Anruf war entscheidend. Nordstern forever? Besser nicht!
    Und so trat Waldemar, achtzehn, seinen Weg ins Showgeschäft an – Waldi goes to Hollywood, sozusagen.
    Oder zumindest nach Augsburg.

4
    DER BEATKÖNIG VON AUGSBURG
    Wie ich einmal die Bee Gees
als DJ s beschäftigte
    Ich kam also in Augsburg an. Mit einem Job, mit üppigen 1000 Mark im Monat. Aber ohne Dach über dem Kopf. Gerd war schon wieder großartig. »Dann schläfst du die erste Zeit eben bei uns.« Und Gerds Mutter war noch großartiger. Mama Höllerich, Mrs. Black also, bemutterte mich, nahm mich an Kindes statt an. Ich war quasi, neben Walter, der Bruder von Roy Black. Der schwarze Waldi, damals noch ganz ohne Politklischee. Also: ein paar Nächte bei den Höllerich-Blacks, bis ich im Stadtteil Göggingen ein möbliertes Zimmer aufgetrieben habe.
    Ich mutierte zum Augsburger. Tatsächlich meinen heute viele Leute, ich stamme aus Augsburg, weil ich den fränkischen Dialekt nie gepflegt habe und ihn nicht ganz so prickelnd finde. Vielleicht wollte ich dem Fränkischen, diesem Dialekt, ja entfliehen. Was mir viele Clubfans bis heute ver übeln, weil ich mein Club-Glaubensbekenntnis nicht jeden Tag abgelegt habe.
    Augsburg war eine neue Welt für mich. Ich hatte keine Mama mehr vor Ort, aber dafür ein möbliertes Zimmer mit einer Herdplatte. Im März 1966 war ich achtzehn geworden, und am 1 . April habe ich im Big Apple angefangen, far away from home. Gleichzeitig begann, zu meinem Glück, die große Zeit der Discjockeys. Nicht mehr die Bands waren die Stars wie früher – jetzt war der DJ umschwärmt. Das waren die neuen Zeiten. Und ich fand sie gut, die neuen Zeiten.
    Das Big Apple brachte einen Hauch von New York nach Augsburg. In den Laden sind sogar die Münchner gepilgert, der war richtig angesagt. Und bei mir lief alles, was 1966 brandheiß war: Spencer Davis Group, Kinks, Beatles, Stones, Equals und so. David Garrick mit »Dear Mrs. Applebee« trat sogar live bei uns auf.
    Mein großer Trumpf als DJ , außer der großen Gosche: Damals waren fast 20000 GI s in Augsburg stationiert, das war fast eine eigene Stadt in der Stadt. Und die Amerikaner brach ten immer viel Musik mit. Massenhaft Platten, die man sonst nur in den USA kaufen konnte. Deshalb war ich mit Musik so gut ausgestattet.
    In dieser Zeit traf ich auch meinen bis heute besten Freund, den späteren BR -Journalisten und heutigen Steinbrück-Berater Hans-Roland Fäßler, der mich nach wie vor treu und tapfer begleitet. Roland und ich kannten uns schon flüchtig aus Nürnberg, und er kam einige Zeit nach mir ebenfalls nach Augsburg – ohne dass wir voneinander wussten. Er fing damals ein Volontariat bei der Augsburger Allgemeinen an. Ich war DJ , er kam irgendwann in den Laden – was zur ersten umfangreichen Erwähnung von

Weitere Kostenlose Bücher