Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Augsburger Allgemeinen hat damals unser Pressewart Klaus Balle die Handballberichte geschrieben. Aber als er nach Kassel versetzt wurde, brauchten wir einen neuen Pressewart. Und natürlich schauten alle mich an. Die ausschlaggebenden Gründe in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit: »Waldi, du hast die meiste Zeit, du hast die größte Gosche, und du bist der deutschen Sprache in Wort und Schrift einigermaßen mächtig. Du bist unser neuer Pressewart. Glück wunsch!«
Mir blieb gar nichts anderes übrig. Ich war wehrlos. Und ab sofort Pressewart eines Handball-Landesligisten. Der Gla mour der großen weiten Welt klingt anders, aber na gut. Schreib maschine hatte ich allerdings keine, also fuhr ich zum Schreiben in die Redaktion. Ich hatte ja tagsüber weiterhin gut Zeit, da hatten die Handballkameraden recht.
Also kam ich ab und zu in die Redaktion rein und brachte zur Begrüßung gern mal einen Kasten Weißbier mit. Denn ich wusste, was sich gehört im Sportjournalismus. Schon mal kein schlechter Einstand für den späteren Weißbier-Waldi. Am Anfang hatte ich vierzig Zeilen Platz für unsere Hand ballgroßtaten. Mit jedem Sonntag und mit jedem Kasten Weiß bier habe ich auf hundertzwanzig Zeilen erhöht. Mit Foto. Und natürlich habe ich auch tüchtig über mich selbst geschrie ben. Etwa so: Der immer noch sehr bewegliche Kreisläufer Waldemar Hartmann spielte die Abwehr des TSV Bobingen ein ums andere Mal schwindlig. Gezeichnet, Waldemar Hartmann …
Das fand aber alles nur im Lokalsport statt.
Aber der Sportchef, der alte Deininiger, war überaus zu frieden: »Mensch, Junge, das ist ja gar nicht so schlecht. Willst du nicht einmal was im Hauptsport schreiben?«
Hm, warum eigentlich nicht?
Es gab nur ein Problem, erklärte mir der alte Deininger: »Die Chefredaktion will nicht, dass du unter deinem Namen schreibst.« Der bunte Hund von Augsburg, der einschlägig vorbekannte Sportwirt Waldi H. als seriöser Sportreporter – das ging gar nicht. Bei uns schreibt der Wirt – undenkbar für die Augsburger Allgemeine !
Ich, etwas enttäuscht: »Okay, dann lassen wir’s eben.« Doch der Sportchef bestand darauf: »Wir wollen aber, dass du schreibst!«
Voilà – das war die Geburtsstunde des hoffnungsvollen Augsburger Sportreporters Hartmut Waldmann. Unter diesem Namen publizierte ich fortan. Ein Meisterwerk der Tarnung.
Mir war’s wurscht, ich sagte nur: Freunde, wenn da keiner draufkommt, fresse ich einen Besen! Musste ich aber nicht, denn bald wusste halb Augsburg, wer sich hinter Hartmut Waldmann verbarg.
5
DO IT!
Die Entführung des Muhammad Ali
Waldi und Ali. Eine Geschichte, ein Kapitel für sich. Im Mai 1976 boxte der Champ in der Münchner Olympiahalle gegen den Briten Richard Dunn, der gleich zwei Probleme auf einmal hatte: Er musste gegen Muhammad Ali antreten, den Größten aller Zeiten. Und er besaß ein Glaskinn: Ein paar anständige Schubser beförderten den Engländer zügig in den Ringstaub – was aber vor dem Kampf um Himmels willen niemand wissen durfte. Das würden die Leute früh genug merken.
Der Kampf war dann zwar etwas interessanter als Alis seltsames Duell genau einen Monat später in Tokio mit dem japanischen Wrestler Antonio »Pelikan« Inoki, der den gesamten Kampf auf dem Rücken liegend zubrachte und Alis Beine attackierte. Aber nicht viel interessanter. Der Champ führte Fallobst Dunn in Runde fünf seiner verdienten Bestimmung zu, übrigens der letzte K.-o.-Sieg seiner Karriere. Und wer kümmerte sich um die Pressearbeit für das Ali- Spektal in München? Ein achtundzwanzigjähriger Augsburger Wirt namens Waldemar Hartmann.
Zu dem Job gekommen bin ich über zwei Anwälte und einen Gerichtsvollzieher, die den Kampf quasi ersteigert hatten. Die drei meinten irgendwann zu mir: »Kannst du nicht die Pressearbeit für uns machen? Du hast doch Beziehungen zu Gott und der Welt?« Und so durfte ich den größten Sportler aller Zeiten, meinen größten Helden, zwei Wochen lang aus nächster Nähe erleben – ich habe seine Boxhandschuhe und seine Hose, auf der er mir unterschrieben hat, noch heute zu Hause.
Damals war Muhammad Ali ein Überstar, wie es heute im Sport keinen mehr gibt. Nichts gegen Tiger Woods, Roger Fede rer oder Sebastian Vettel – aber gegen Ali sind sie alle Leicht gewichte. Ich wollte das unbedingt machen. Ali, mein Gott Ali!
Ich hatte mein festes Honorar und wurde an der Werbung beteiligt, die ich aufriss. Aber ehrlich: Ich hätte es auch umsonst gemacht.
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