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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Gestatten, Waldemar Hartmann, Deutschlands vielleicht teuerster Wehrdienstleistender.
    Mehrere Briefwechsel später war der Anwalt immer noch entspannt, ich aber längst nicht mehr. Es kam zu einer Verhandlung, die wir verloren, und mir wurde langsam abwechselnd heiß und kalt. Die meinten das tatsächlich ernst! Gemustert war ich mittlerweile, und im Juni 1973 , ich war gerade fünfundzwanzig geworden, lagen der Einberufungsbescheid und der Wehrpass im Briefkasten. Und das obwohl mein Sohn Claus gerade auf die Welt gekommen war. Ich sollte also tatsächlich das Land gegen den Russen verteidigen, wenn der Russe kommt – hoffentlich hätte der wenigstens Wodka im Gepäck, schon damals mein bevorzugtes Kaltgetränk. Letzter Wasserstand vom Wehrbereichskommando VI war: Wenn der Hartmann erst einmal mit dem Dienen angefangen hat, können wir das noch mal überprüfen. Aber einrücken muss er, sonst holen ihn die Feldjäger ab. Ich sollte mich in der Ritter-von-Leeb-Kaserne in Landsberg am Lech melden. Also habe ich mich gemeldet. Und wie!
    Mein Einrücken habe ich minutiös geplant, als ganz großes Kino. Ich habe meinen Freund Roland, der damals beim BR unter anderem auf Bayern 3 Sendungen wie Gute Fahrt und gute Reise moderierte, angerufen und um einen Gefallen gebeten – er sollte über die BR -Schiene einen letzten »Free Waldi«-Versuch starten. Ich habe einen Omnibus gemietet, vierzig meiner Stammgäste reingesetzt, alle wegen Trauerfall in Schwarz gekleidet. Und dann sind wir rausgefahren zum seligen Ritter von Leeb nach Landsberg. Auf dem Weg dort hin haben wir bei meiner bevorzugten Brauerei Halt gemacht, beim Brauhaus Riegele in Augsburg, und haben schwer eingeladen. Kistenweise feinsten Stoff. Eine Drei-Liter-Flasche Asbach war auch an Bord, das trank man damals gern. Ich war genauso schwarz gekleidet wie der Rest, und als einziges Marschgepäck hatte ich ein Zahnbürstl in der Hemdtasche. Unter meinen Spezln im Bus waren übrigens ein Leutnant der Bundeswehr, ein Feldwebel und ein Unteroffizier, quasi als meine fachliche Beratung.
    Als wir dort in friedlicher Mission angekommen sind, beim Ritter von Leeb, tat am Schlagbaum zufällig ein weiterer meiner Stammgäste Dienst (ich hatte viele Stammgäste damals), der aus der alten Roy-Black-Clique stammte. Der hat sich vorsichtshalber sofort verdrückt. Aber die Kameraden im Wachhäuschen dachten, da kommen vierzig Wehrpflichtige auf einen Schlag, die quasi ihren zivilen Junggesellenab schied feiern. Wir stellten unsere Bierkisten auf den Gehsteig, und mein sehnlicher Wunsch in diesem Moment war: Einer meiner Stammgäste sollte mir wie bei Lilli Marleen am Schlagbaum, vor der Kaserne bei dem großen Tor und der Laterne, ein letztes Ständchen mit der Gitarre spielen. Also griff mein Kumpel Klaus in die Saiten und gab »Blowin’ in the Wind« zum Besten. Passte ja. Ein erhabenes Gefühl, muss ich sagen. Die Wachleute schauten sich das Spektakel eine Zeit lang an – aber als ich nach dem letzten Ton Bob Dylan um den Schlagbaum herumgegangen bin und mich damit auf dem Kasernengelände befand, haben sie mich sofort gepackt und in die Mitte genommen. Sie sind festgenommen, Herr Hartmann!
    Die beiden führten mich über einen ewig langen Weg zu einem Gebäude, wo mich ein Bundeswehrler anbellte: »Wehr pass!« Ich zurück, ohne Bellen: »Hab ich nicht.« – »Warum?« – »Brauch ich nicht.«
    »Aha«, sagte er, »das geht schon gut los mit Ihnen.« Solche Clowns wie mich damals hatten sie gern bei der Bundeswehr. Die behandelten sie bei der Grundausbildung ganz besonders liebevoll. Im Gebäude stand eine Schlange von vielleicht zwanzig Leidensgenossen. Als ich die sah, fiel jeg licher Mut, Übermut und auch jede Frechheit von mir ab: »Dein ganzer Zirkus hat dich nicht weitergebracht, Hartmann. Jetzt fängt die ganz große Scheiße an. Und das achtzehn Monate lang.« Das war eine Lebensgabelung für mich und alles andere als lustig. Wenn du als Wirt achtzehn Monate aus dem Geschäft bist, sind deine Gäste danach vielleicht weg, und du kriegst den Laden nie mehr zum Laufen.
    Meine Bundeswehrkarriere hat dann aber doch nicht achtzehn Monate gedauert, sondern maximal achtzehn Minuten. Denn als ich noch wie ein begossener Pudel dastand, brüllte plötzlich jemand los, und zwar in Großbuchstaben: » HART MANN! « Es war mein Erlöser, mein rettender Engel. Ich durfte in ein Zimmer gehen, im Zimmer wartete der Herr Erlöser, mein Engel in Uniform, und sagte:

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