Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Kampf noch irgendwie zum Superduell aufzublasen, also raunte Ali mir zu: »Hey man, each time you say the name Richard Dunn, say the upcoming heavyweight champion of the world.«
Okay, Champ, zu Befehl. Ich pries also künftig bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Fallobst Dunn als den »kommenden Schwergewichtsweltmeister« an.
Eine Stunde nach unserem kurzen Dialog saß Ali in der Beleuchterkabine des Circus Krone, schaute Dunn beim Training zu – und passte ganz genau auf, was der Woooldi so erzählt. Ich habe meinen Ali-Test bestanden. Von da an war Richard Dunn im Circus Krone der Weltmeister von morgen, von dem bald die ganze Boxwelt sprechen würde. Die Nichtgestalt als Lichtgestalt.
Man muss sich das vorstellen: Da waren jeden Tag 1500 Zuschauer beim Training im Krone. Muhammad Ali machte ab dem dritten Tag kaum mehr etwas anderes als zehn Runden lang Seilspringen. Zehnmal drei Minuten lang schauten die Leute dem Champ beim Seilhüpfen zu – und keiner pfiff. Alle waren völlig fasziniert. Boah, Ali ist in der Stadt! Und er springt Seil! Dass wir das erleben dürfen!
Und ich posaunte unermüdlich heraus: »Richard Dunn, the upcoming heavyweight champion of the world.« Leider entsprach die Realität dem Wunsch eben nicht ganz. Dunn hatte einen Sparringspartner dabei, einen Nigerianer, einen Riesenapparat, gestählt, austrainiert, eine Figur aus Alabaster. Und was passierte? Der Alabastermann haute meinem kommenden Welt-Box-Waldi-Superstar beim Training versehentlich auf sein geheimes Glaskinn, und Dunn kippte aus den Latschen, plumpste um wie ein Sack Reis in China, fiel auf den Ringboden – Knockout!
Am nächsten Tag kam der Champ vor seinem Training zu mir und meinte ganz lapidar: »Man, forget it!« Vergiss es, Waldi!
Das war das Ende des kommenden Schwergewichtswelt meisters Richard Dunn, bevor der ungleiche Kampf überhaupt begonnen hatte. Aber mit meinem Ali ging es erst los.
Zumindest das Geschäft im Circus Krone lief gut, die Massen strömten zum Ali-Schauen, zum größten Seilhüpfspektakel aller Zeiten. Und wir wollten den Werbeumsatz pushen, denn wir hatten zum Beispiel die Ringecken noch nicht verkauft.
Plötzlich kam ein Anruf. Die Produktion der Rudi-Carrell-Show Am laufenden Band war dran, seinerzeit eine Art Wet ten, dass …? hoch drei. Mein Kumpel Charly, der mir zur Seite stand, sprach mit den Carrell-Leuten, ich fragte ihn: »Was wollen die?« Er antwortete: »Etwas völlig Wahnsinniges.« Muhammad Ali sollte in der Sendung auftreten und gegen die Kandidaten boxen. Ich war sicher: Das macht der nie! Machte er aber doch – und legte in der Rudi-Carrell-Show eine sensationelle Nummer hin, die bis heute legendär ist.
Denn auch ein Ali brauchte Reklame. Wie gesagt, der Ticketverkauf schleppte sich so dahin, und bis dahin waren noch keine 5000 Karten für den Kampf am Montag nach der TV -Show an den Mann gebracht. Das Management des Meisters hatte keine Angst vor Herrn Dunn, die hatten nur Angst vor einer halb leeren Olympiahalle. Der Ali-Auftritt bei uns im Krone ist bis heute in allen Filmen über Rudi Carrell zu sehen. Der Champ stieg gegen eine Frau in den Ring, die ihn nur ganz leicht berührte – und er fiel um wie ein von der Motorsäge gefällter Baum. Sensationell!
Plötzlich wollten alle Reklame bei uns machen, weil wir ja im Fernsehen waren. Danke, Rudi! Carrell sollte nicht der letzte Rudi bleiben, der geschäftlich Gutes für mich tat.
Unsere Ringecken gingen weg wie warme Semmeln, alle anderen Sponsoringplätze auch. Wir hatten keine Ahnung, was wir verlangen sollten, es gab ja keine erprobte Währung dafür. Also haben wir einfach Fantasiepreise erfunden, 5000 Mark hier, 10000 Mark da, alles kein Problem.
Obwohl, ein Problem gab es dann doch. Der Regisseur von Am laufenden Band kam vor der Sendung zu mir und meinte: »Wir brauchen die Ringecken werbefrei, das mit der Reklame geht nicht am Samstagabend in der ARD .« Da fing er also schon an, der Ärger mit dem Ersten! Ich hätte gewarnt sein müssen!
Ich sagte zu ihm: »Die Reklame war schon immer da, von Anfang an.« Was nicht stimmte, aber egal. Er zur mir: »Ich war gestern da, da muss ich die Werbung wohl übersehen haben.«
Ein helles Kerlchen. Das war meine erste Begegnung mit den hehren Werberichtlinien der ARD , die manchmal so kom pliziert klingen wie das Grußwort von Leonid Breschnew an das Ostberliner Werkzeugmaschinenkombinat. Und es war nicht meine letzte.
Wir haben uns jedenfalls standhaft
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