Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
damaligen Sportchef Fritz Hausmann, dessen Spezialität es war, die Fußballergebnisse in der Sendung Heute im Stadion mehrfach vorzulesen, gebündelt, geschnürt und nochmals im Paket – eine meiner ersten Reportagen also war die Berichterstattung von einem absoluten Großereignis, der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Orientierungslauf in Aying. Ein Weltsportereignis – zumindest bei uns im Radio.
Niemand beim BR würde heute noch auf die Idee kom men, dorthin einen Reporter zu schicken, aber damals war das eben so. Ich habe auch vom Rhönradturnen berichtet, Baye rische Meisterschaften in Freilassing. Rhönradturnen im Fern sehen ist überschaubar aufregend, Rhönradturnen im Radio eine absolute Katastrophe. Das ist die Reifeprüfung eines Reporters, härter kann es nicht mehr kommen.
Das Rhönradgeturne war mein allererster Hörfunkauftrag – und mehr eine Strafexpedition als ein echter Einsatz. Da habe ich schon gemerkt, was Fritz Hausmann von mir hält und wie er mich förmlich zum Rückzug zwingt. Zwischen ihm und mir hat die Chemie vom ersten Moment an nicht gestimmt. Ihm war ich entschieden zu umtriebig. Später, als ich schon im Fernsehen war, da wäre ich ihm gut genug gewesen für seine Radiosendungen. Aber da wollte ich dann nicht mehr.
Also: Der Anfang war hart. Doch ich wollte partout zum Sport. Ich wollte aus dem Olympiastadion berichten. Vorerst stand aber, wie gesagt, der Orientierungslauf an – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Waldi kam zu spät. Waldi war desorientiert auf dem Weg nach Aying.
Ich fahre und fahre und fahre also im Vor- GPS -Zeitalter Richtung Aying, drehe um und fahre hin und her. Und als ich den Wald bei Aying endlich gefunden habe, sind alle schon weg. Da waren nur noch ein paar Absperrungen zu sehen, ein paar Fahnderl – und ein verzweifelter BR -Techniker in seinem kleinen weiß-blauen Ü-Wagen.
Hausmann würde toben, wusste ich. Der konnte mich eh nicht leiden, und ich hatte keinen Beitrag. Das wäre mein Ende beim BR -Sport, bevor überhaupt irgendetwas angefangen hatte. Der Toningenieur Königsberger, einer der liebenswerten Techniker – es gab auch unfreundliche Muhackln, wie wir sagen –, schaute mich ganz entgeistert an: »Ja, Herr Hartmann, wo bleiben’s denn? Des ist fei scho vorbei …«
Diese Information trug nicht gerade zu meiner Beruhigung bei. Oder dazu, dass der entsetzte Ausdruck von meinem Gesicht wich. Aber der Herr Königsberger war ein guter Mann und meinte: »Weil wir Sie mögen, Herr Hartmann: Ich hab mit dem Sieger ein Interview gemacht. Da schneiden wir dann Ihre Stimme mit den Fragen rein, und jeder wird meinen, Sie haben mit dem geredet.« Ich könnt’ Sie abbusseln, Herr Königsberger! So geschah es, und mein Chef sollte ein Interview von Waldi Hartmann bekommen, dass ich nie ge führt hatte. Bei der Rückfahrt hielten wir an einem Wirthaus, ich lud den Königsberger auf ein Bier ein, und wer feierte drin? Die deutschen Mannschaftsmeister im Orientierungslauf. Also bekamen wir noch ein paar Interviews mehr, weil ich den Tontechniker Königsberger eingeladen habe.
Die Lehre aus der Geschichte mit dem Desorientierungslauf war übrigens: Du darfst als Mensch, der seinen Rüssel in eine Fernsehkamera hält, nie vergessen, dass du ohne Team gar nichts bist, eine Null. Hab Respekt vor denen, die dir zuarbeiten! Denn ohne den Kameramann hast du kein Bild. Der kann dich auch so abfilmen, dass du ihm keine böse Absicht unterstellen kannst, wenn er dich alt ausschauen lässt, im wahrsten Sinne des Wortes. Und aus dem Doppelkinn wird dann halt ein Dreifachkinn.
Ich hatte damals einen väterlichen Berater und wunder baren, klugen und auch trinkfesten Menschen beim BR , einen verantwortlichen Redakteur. Wir wollen ihn Johann Thaler nennen, aber alle sagten nur Hansi zu ihm. Bei ihm im Büro hatte ich Unterschlupf und Asyl gefunden – denn einen eigenen festen Schreibtisch hast du als freier Mitarbeiter ja keinen. Da bist du eher frei schwebend.
Hansi war sehr lebenslustig, hatte eine ebenso wunderbare Frau – dazu beim BR eine Freundin, die Anni, von der die Gattin nichts wusste. Er hatte mich quasi als Freund und Sohn angenommen, wir liefen im Funkhaus tatsächlich unter Vater und Sohn. Und der Sohn wusste von der Liebschaft des Herrn Papa. Irgendwann holte er mich ins Zimmer und meinte: »Hör mal, jetzt kannst du in einem echten Härtetest deine Verschwiegenheit und Loyalität beweisen. Ich habe hier ein Band …«
Auf dem Sendeband
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