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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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wetten. Irgendwie konnte ich es nicht lassen – trotz aller Ribbeck-Skepsis: »Willi, heute kriegt ihr aber wirklich eine auf den Rüssel.« Lemke bekam schon wieder ganz große Ohren: »Und wenn ni-hi-ch? Dann bleibt die Lederhose hier!« Aha. Alles klar: Willi Lemke wollte meine Hose. Also Ulis Hose, was er aber nicht wusste. Bis dahin hat er ja noch gedacht, es handelt sich beim Objekt seiner Begierde lediglich um die Hartmann-Hose.
    Willi Lemke wollte den bayerischen Fetisch. Und was passierte? Na klar: Der FC Bayern verlor schon wieder gegen Bremen. Bravo, Erich! Danach im VIP -Raum: Alle wussten schon Bescheid, was angesagt war: »Zieht dem Waldi die Lederhose aus!« Herrschaft, jetzt hatte ich ein Problem. Ich versuchte, die Bremer hinzuhalten: »Jetzt nicht, die brauche ich noch. Ich habe keine andere Hose dabei.« Und dann musste ich wohl oder übel raus mit der Wahrheit: »Willi, ich kann dir die nicht geben. Das ist nicht meine Lederhose. Das ist die Lederhose von Uli Hoeneß.« O mei: In Willi Lemkes Augen glitzerte es jetzt wie bei einem Goldgräber am Yukon. Jetzt war er euphorisch wie ein Indianer beim Skalpieren eines Cowboys. Jetzt war er noch heißer auf diese heilige Hose. Auf die Hoeneß-Hose.
    Auf irgendeinen Handel wollte er sich jetzt erst recht nicht mehr einlassen: »Ich will nich irgendeine Hose, ich will die vom Uli.« – »Geh, Willi, sei doch vernünftig. Ich kann dir doch nicht Ulis Lederhose …« – »Doch, du kannst. Ich will keine andere.« Der Bub war trotzig, beinahe hätte er mit den Füßen auf den Boden gestampft. Ich will, ich will, ich will! Es war hoffnungslos. Also habe ich mit ihm ausgemacht: Er kommt zu mir am Montag in den Blickpunkt Sport , und dann kriegt er seinen bayerischen Skalp. Der Uli wird schon mitspielen, irgendwie.
    Ich also am Flughafen beim Rückflug zum Manager: »Uli, du musst bitte am Montag in den Blickpunkt kommen. Willi Lemke kommt auch.« Er entsetzt: »Spinnst du?« Genauso gut hätte ich ihm ankündigen können: Wir haben Iwan den Schrecklichen eingeladen. Dann wäre er wahrscheinlich noch lieber gekommen. Und dann war’s Zeit für das entscheidende Geständnis: »Uli, es gibt noch ein Problem: Ich habe deine Lederhose verzockt. Gegen Lemke.« Uli schaute mich an, als hätte ich ihm gerade eröffnet, dass er seinen Elfmeter vom EM -Finale 1976 in Belgrad wiederholen darf, weil Experten nachträglich festgestellt haben, dass sich im Ball ein Frosch befand. Nur weniger begeistert.
    »Ja, des gibt’s doch nicht. Das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder?« Doch. Sorry, Uli. Ribbeck war schuld.
    Das Ende vom Lied: Uli, auch in dieser Beziehung ein Mus terprofi, trat an im Blickpunkt – und überreichte seinem Nicht-Lieblingskollegen generös das Objekt der Begierde: »Lieber Herr Lemke, Sie kriegen die Hose.« Dieser Satz ist ihm ungefähr so leichtgefallen wie viele Jahre später Oliver Kahn das »Auf der Bank ist es doch am schönsten«. Aber er hat ihn rausgebracht.
    Und Nordlicht Lemke strahlte, als hätte er bei uns im BR -Fernsehstudio gerade erfahren, dass an einem Tag Werder Bremen Deutscher Meister wurde und gleichzeitig die Bayern- SPD der CSU die absolute Mehrheit im Freistaat abgeknöpft hat. Ein selten glücklicher Mensch. Die rote Reliquie wan derte in den Trophäenschrank von Werder Bremen – und atmet dort bis heute hanseatische Luft.
    Nicht verwunderlich, dass auch diese Geschichte nicht gerade zum Aufblühen der Liebe zwischen Uli Hoeneß und Willi Lemke geführt hat. Als Bremen im PISA -Test so dermaßen schlecht abschnitt, wusste Uli ganz genau, wer an dem katastrophalen Ergebnis schuld war: natürlich der Schulsenator. Und der hieß damals Willi Lemke. »Ist doch kein Wunder …«, fühlte sich Uli in seiner Meinung von seinem Lieblingsfeind bestätigt.
    Wenn man mit Uli zusammenrauscht, kracht es kurz, aber heftig. Ich kann mich an eine Doppelpass -Sendung bei Jörg Wontorra in der Autostadt in Wolfsburg erinnern, als dem 1 . FC Nürnberg der Abstieg drohte. Wonti stichelte gegen mich: »Und wenn der Club absteigt, fließen bei dir die Tränen.« Und ich habe geantwortet: »Nein, fließen sie nicht – denn meine persönliche Stimmung mache ich nicht von Lust und Laune kurzhosiger Millionäre abhängig.« Das war Uli eindeutig zu systemkritisch. Ein Angriff auf seine heilige Fußballfamilie! Zufällig hatte ich nach der Sendung im Ritz-Hotel einen Interviewtermin mit ihm. Und zur vereinbarten Zeit rauscht er ins Zimmer,

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