Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Heutigen. Das klang ungefähr so: »Die Engländer auf der linken Seite mit Mullery. M-u-l-l-e-r-y. M-U-L-L-E-R-Y .« Du hast den richtig in den Strafraum reinlaufen sehen, vor deinen Augen, den Engländer. Das kann man gar nicht schreiben, das muss man hören.
Oskar Klose war ein Gigant. Und ich war ein Zwerg. Himmel, war ich schlecht. Was habe ich mich geschämt. Also bin ich direkt nach dem Spiel runter zum Toningenieur, der beim BR als Hirnwurst-Heiner bekannt war, weil er immer nur Hirn wurst, also Gelbwurst, gegessen hat: »Heiner, bitte gib mir das Bandl, ich bring es dem Hausmann gleich selber.«
In Wahrheit wollte ich es gar nicht abgeben. Ich wollte es vernichten. Und zwar restlos. Begründung: Überfall von Außerirdischen auf dem Weg von Nürnberg nach München, schwerer Autounfall, Tonband verbrannt, unerklärlicher Magne tismus, was auch immer. Hauptsache, Hausmann kriegt den Mist nicht zu hören.
Aber der Heiner war nicht zu überzeugen. Nichts zu machen, wahrscheinlich nicht einmal gegen eine Riesenladung Hirnwurst: »Ich muss das Bandl beim Hausmann abliefern, und du kriegst gar nix.« Da war mir klar: Jetzt nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Egal: Wirt war ja auch ein schöner Beruf, geh ich halt zurück in die Kneipe.
Gleich am Montag darauf kam, wie zu erwarten, der Anruf von Hausmann, ich soll antreten. Also bin ich zu ihm, auf eine Strafpredigt gefasst, auf eine Demaskierung meiner absoluten Unfähigkeit. Doch Fritz Hausmann war wundersamerweise zufrieden: »Hartmann, da waren ja ein paar ganz ordentliche Ansätze dabei.« Wahrscheinlich hatte er das Band gar nicht angehört. Jedenfalls durfte ich danach tatsächlich ab und zu Heute im Stadion machen. So richtig, für Zuhörer: »Wir rufen Waldemar Hartmann.« Mal habe ich den Club in Nürnberg übertragen, mal die Bayern im Olym piastadion – dann mal wieder gar nichts, weil ich immer noch eher der Notnagel war. Gerd Rubenbauer, der etwa gleichzeitig mit mir anfing, tat sich leichter – der war ein begnadeter Hörfunkmann, absolut der Beste von uns Jungen damals. Außer den Altvorderen, Herbert Zimmermann und Oskar Klose, habe ich keinen besseren deutschen Radiosportreporter gehört als Rubi.
Wenn ich mir Rubi im Vergleich angehört habe, habe ich gemerkt: Waldi, du kriegst das einigermaßen anständig hin mit den Fußballreportagen – aber es gibt Dinge, die du besser kannst. Zum Beispiel Fernsehen.
Im Oktober 1979 startete das Bayerische Fernsehen im Dritten mit seiner eigenen Nachrichtensendung, der Rundschau . Denn die Tagesschau des NDR galt als schwer linkslastig. Und deshalb hat dann der BR beschlossen: Wir überneh men nicht das rote Programm des Sozen-Kampfverbands Nord, sondern wir zeigen die Welt, wie sie wirklich ist. Also aus Sicht der CSU .
Am Anfang hieß die Sendung BR -intern »Rundklau«, weil einfach die Beiträge der Tagesschau genommen und nach den Vorlieben des Hauses neu zusammengesetzt wurden. Das Studio wurde intern »Märklin-Studio« genannt, sah es doch so schön nach Spielzeugeisenbahnen und Laubsägearbeiten aus. HD lag in ferner Zukunft, und die Technik, die der BR dort einsetzte, war später Nachkriegsstandard. Dafür war der Moderator hochmodern – also ich. Und das kam so:
Im Alten Simpl, eine Münchner Kultkneipe und damals mein z weites Wohnzimmer, hatte die Staats kanzlei zweimal im Jahr zum »Hintergrundgespräch« mit den Landtagsberichterstattern geladen, bei Fleischpflanzl und Bier. Zu Gast war jeweils das halbe bayerische Kabinett. Im Herbst 1979 saßen dort mein Radioabteilungsleiter Franz-Josef Kugler, ein BR - Radiomann der ersten Stunde, und mit Rundschau -Redaktions leiter Felix Heidenberger ein weiteres BR -Urgestein. Irgendwann kam Kugler zu mir: »Hock dich mal da her, Waldi. Das ist der Felix, der macht draußen in Freimann Fernsehen. Mit dem musst du dich nächste Woche mal treffen.« Ich hatte keine Ahnung, um was es geht. Sollte ich Heidenberger interviewen? Doch der wollte gar keine Reportage von mir, sondern fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, die Rundschau zu moderieren.
Natürlich, vorstellen konnte ich mir viel. Also gut, Probesendung nächste Woche.
Nach drei Schoppen Wein mit meinem Freund Hansi (dem mit der getürkten Gäubodenreportage) bin ich nach Freimann gefahren. Mein BR -Ziehvater verabschiedete mich mit den Worten: »Mein Sohn, du musst das schaffen.« Im Studio musste ich den Originaltext der Rundschau vom Vortag vorlesen – und danach bei Heidenberger
Weitere Kostenlose Bücher