Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
wenn er zu Hause war, hat Strauß TV Weiß-Blau angeschaut, es war schließlich der Sender seines Buben. Und plötzlich wird im hauseigenen Strauß- TV die Landesregierung vorgeführt! Und die Redakteurin fährt nicht sofort dazwischen und stellt das saubere schwarze Welt bild wieder richtig. Geht ja gar nicht!
Am nächsten Tag komme ich guter Dinge in die Redaktion, wo Strauß junior mit bitterer Miene schon auf mich wartet: »Der Ahnherr hat zugeschaut! Er droht mit Liebesentzug!« Ich zurück: »Mein Gott, Franz Georg, was soll ich denn machen? Das war eine Livesendung, da passiert so was.« Und wer war natürlich schuld? Der Chefredakteur, der die Sendung nicht anständig vorbereitet hat und so eine Ungeheuerlichkeit zulässt! Der Hartmann also. Bildschirmverbot für die Dame war die mindeste Konsequenz, die der Ahnherr forderte. Und ich habe Franz Georg gesagt: »Dann müssen wir die ganze Geschichte mit Weiß-Blau beenden, so hat das keinen Sinn.« Und außerdem saß ein hoher Beamter aus dem Kultusministerium als Juryvorsitzender mit in der Runde. Warum hat der denn nichts gesagt? Das hat Franz Georg seinem Vater dann so übermittelt.
Wochen später ist Strauß nach der bayerischen Landtagswahl 1986 reichlich angetrunken in der Bonner Runde aufge taucht, der Auftritt ist bis heute unvergessen. Ich war vor Ort dabei, Strauß hatte zuvor im Kreis der anderen CSU -Würdenträger, Stoiber, Tandler & Co., im Ehrengastbereich des Münchner Olympiastadions kräftig gebechert. Denn es gab immer noch keine Hochrechnungen. Die gewohnten 50 Pro zent plus x – oder nix? Keiner wusste Bescheid. BR -Chefredakteur Wolf Feller hatte den Auftrag, dafür zu sorgen, dass FJS aus München zur Elefantenrunde dazugeschaltet wird. Einige CSU -Großkopferte waren der Meinung, man solle den Großen Vorsitzenden in diesem desolaten Zustand nicht der Nation vorführen.
Um Viertel nach acht ging’s los, ARD -Mann Martin Schulze moderierte, und Strauß sprach live vor einem Millionenpublikum den bis heute legendären Satz: »Wer ist denn eigentlich Herr Schulze?« Der Witz war: Was FJS gesagt hat, war inhaltlich fast perfekt und druckreif – bloß die straußsche Zunge war schwer wie Blei. Aber er hat sie abgebürstet, alle. Danach ist die gesamte CSU -Gemeinde mit Strauß und mit Waldi mittendrin weitergezogen ins Piazzetta, den Stammitaliener des Ministerpräsidenten im Gebäude der Bayerischen Landesbank. Wir dort alle weiter am Picheln, und um Viertel nach elf verkündet Tandler das amtliche Endergebnis: 55 , 8 Prozent für die CSU ! Riesenjubel – wenn Strauß das Endergebnis um Viertel nach acht schon gewusst hätte, hätte er Kohl öffentlich versenkt.
Man trinkt also heiter weiter, freut sich des Lebens, und nachts um halb zwei steht Strauß auf, wankend, aber standhaft senkrecht, und verabschiedet sich per Handschlag von den Anwesenden. Als er zu mir kommt, sagt er in typischer Strauß-Manier: »Herr Chefredakteur, Sie haben Ihre Aufsichtspflicht verletzt!« Ich zu ihm: »Herr Ministerpräsident, ich hab’s doch Franz Georg gesagt, ich kann nicht in eine Livesendung eingreifen, dann haben wir erst recht einen Skandal. Und Ihr Mann aus dem Kultusministerium, der muss das doch richten.« Er darauf: »Also gut. Nieder mit Ihnen! Aber dann wieder auf, marsch, marsch!« »Danke, Herr Ministerpräsident!« Abgang FJS . Daraufhin Innenstaats sekretär Peter Gauweiler zu mir: »Jetzt hast du eine Karriere zerstört.« Von dem Herrn aus dem Kultusministerium hat man danach nicht mehr viel gehört. Das muss man sich vorstellen: Selbst solche lächerlichen Details, so eine Fernsehsendung, die kaum jemand gesehen hat, hat Strauß wochenlang in seinem Kopf abgespeichert und dann rausgeholt – an einem Abend, an dem er sturzbetrunken war, an einem Abend, an dem die absolute Mehrheit, das Auf und Nieder der CSU , auf dem Spiel gestanden hatte.
Die letzte Instanz vor meinem Wechsel zu Weiß-Blau war übrigens ein Einzelinterview mit Strauß in der hintersten Ecke des Piazzetta, in dem er mich regelrecht examinierte. Es ging um Außenpolitik im Allgemeinen und den Nahostkonflikt im Besonderen, eines seiner Lieblingsthemen. Ich war Gott sei Dank zuvor mit der Hanns-Seidel-Stiftung drei Wochen zur politischen Horizonterweiterung in Israel gewesen. Einen regelrechten Crashkurs hatte ich da bekommen. Ich war in der Knesset, ich stand auf den Golanhöhen, im Westjordanland und überall. Ich kannte mich also leidlich aus und konnte mitreden.
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