Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Das hat Strauß anscheinend beeindruckt, das hat ihm Spaß gemacht. Bloß als ich den deutschen Botschafter in Israel recht tüchtig und »einen von uns« nannte, schnaubte FJS ungehalten: »Geh, Hartmann, das ist ein Genscherist!«
Irgendwann war ich mit Familie und meiner Tochter Christina, die damals noch in der Wiege lag, am Strauß-Stammsitz in der Hirsch-Gereuth-Straße in München-Sendling eingeladen. Seine Tochter Monika hatte ihre ungefähr genauso alte Tochter dabei. Nachts beim Grillen auf der Terrasse geht die Tür auf, Franz Josef kommt nach Hause, marschiert ins Kinderzimmer, holt ein Kind aus der Wiege, macht duzi-duzi, wie man das halt so macht als guter Opa – allerdings hat er das falsche Kind erwischt, nämlich meins. Bis ihm seine Monika sagt: »Papa, das ist das falsche.« Meine Tochter hat die Verwechslung bei bester Gesundheit überstanden und keinen bleibenden Schaden erlitten.
Einmal bei einem Termin in der Staatskanzlei in der Prinzregentenstraße komme ich in sein Büro, der Ministerpräsident sitzt hemdsärmelig am Schreibtisch und schwenkt eine Boulevardzeitung. Die Schlagzeile dreht sich um einen Kindermörder, der damals sein Unwesen trieb und als »Maisfeldmörder« durch die Zeitungen ging. »Host as g’lesen?«, ruft Strauß aufgeregt, »das ist diese Justiz! Unglaublich!« Und er legt eine Schimpfkanonade über den bayerischen Justizapparat hin mit allen Schimpfwörtern, die man sich nur vorstellen konnte, zefix noch mal.
Mein Gott, konnte der Strauß schimpfen! »So weit«, hat er gebellt, »ist es in Deutschland mittlerweile gekommen, dass der Tote beweisen muss, dass er ermordet wurde!« Mein Gott, Herr Ministerpräsident, Ihr Blutdruck! Ihr Herz! »Uuuuun glaublich!« Mit einem Schlag war wieder Ruhe – Strauß zu mir: »Und was macha mia?« Also hab ich ihm das Thema vorgetragen, über das ich mit ihm reden sollte, aber das hat ihn nicht interessiert. Er wedelte noch mal mit der Zeitung und sagte: »Ja haben Sie denn nicht mitbekommen, was passiert ist? Darüber will ich was sagen!« Also haben wir über den Mais feldmörder geredet, und danach ging es ihm wieder besser.
Die vielleicht schönste Strauß-Geschichte war seine späte Liebesaffäre mit Renate Piller, einer dreißig Jahre jüngeren, adretten späteren PR -Dame aus Österreich. Franz Josefs Frau Marianne, die »Mami«, wie sie im Strauß-Clan hieß, war 1984 mit vierundfünfzig bei einem Autounfall gestorben. Und nach der Mami kam Renate, die Strauß sein »schönes Mädi« nannte. Und das ging so: Als TV -Weiß-Blau-Geschäftsführer Hermann Mayer Ende 1986 seine neue Anwaltskanzlei in der Nymphen burger Straße in München einweihte, schmiss er eine schöne Fete, wir hatten Spaß, es gab ein wunderbares Buffet, aber gegen halb elf war’s dann auch gut. Die Gesellschaft war schon in der Auflösung begriffen, als es an der Tür klingelte.
Franz Josef ante portas! Der Landesvater gab sich die Ehre, schon etwas angeschlagen. Und plötzlich fanden alle die Party wieder richtig toll und wollten bleiben. Strauß hatte Hunger und fiel wegen seines nicht mehr ganz optimalen Zustands beinahe mitten ins Buffet. Fast hätte es kräftig »Rumms« gemacht, aber Renate in ihrem Pepitakostüm, die Assistentin der Weiß-Blau-Geschäftsführung, rettete ihn und kümmerte sich fortan intensiv um den Ministerpräsidenten – an diesem Abend und auch die letzten zwanzig Monate bis zu seinem Tod. Sehr zum Missfallen des Strauß-Clans und vor allem seiner Kinder, die extrem unglücklich über die Verbindung waren. Aber der Ahnherr war der Frau völlig verfallen, der hat sich nichts geschissen. Wenn eine alte Hütte brennt, dann lichterloh.
Renate schaute gut aus und hatte einen klaren Blick für Machtverhältnisse. Es ist ja überliefert, dass sich Franz Josef gleich am nächsten Tag telefonisch bei der Pillerin meldete (»Hier Strauß!«), und wir waren alle gespannt, wann die Geschichte auffliegen würde. Am Tag, als sie aufflog, hielten Franz Georg, Hermann Mayer und ich eine Krisensitzung ab, und ich wurde zum Pressesprecher ernannt, zum Chef der Spionageabwehr. Alle Anrufe, die Frau Piller betrafen, liefen über mich. Die Dame musste auf Tauchstation gehen. Da habe ich die Kreativität der Boulevardkollegen kennengelernt, die sich getarnt als Fleurop-Boten in den Sender schleichen wollten: »Wir sollen Blumen für Frau Piller vorbeibringen.« Die hatten die wildesten Ideen, um an diese Frau und an ein Foto zu kommen. Heute
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