Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
anging.
Weil ich von BR -Fernsehdirektor Wolf Feller tatsächlich die geforderte Rückfahrkarte bekommen hatte, dachte ich mir: »Okay, wenn das schiefgeht, muss ich in zwei Jahren beim BR wenigstens nicht wieder ganz unten in der Hierarchie anfangen und mich hinten anstellen.« Die Rückkehroption war so formuliert, dass ich zumindest wieder in meine alten Bereiche hätte einsteigen können. Ich hatte ja damals den Blickpunkt Sport und die Rundschau , also die populärsten Sendungen des BR . Und ich konnte ja nichts dafür, dass die hohe Politik nach mir rief – und zwar mehr als lautstark, mit einem Anruf direkt bei Intendant Reinhold Vöth. Kein Wunder, dass Vöth keine Anstrengungen machte, mich zu halten. Und ebenfalls kein Wunder, dass mir meine Zeit beim Privatfernsehen später als Betriebszugehörigkeit beim BR angerechnet wurde. Eigentlich war ich also nie richtig weg. Ich war nur zwischenzeitlich abkommandiert, aus politischen Gründen. Und dass ich bei Weiß-Blau mehr verdiente als beim BR der Fernsehdirektor, war auch kein schlechtes Argument. Aber: Es hat Spaß gemacht ohne Ende in der neuen Fernsehwelt. Zumindest am Anfang. Und zwar nicht nur der Blick auf den Kontoauszug – sondern auch der Job als Chefredakteur.
In der Öffentlichkeit fiel mit meinem Wechsel zu Weiß-Blau erst einmal der Maibaum um. Tenor: »Jetzt hat die CSU ihren Vorschlaghammer bei TV Weiß-Blau sitzen.« Ich war der schwarze Teufel, das straußhörige Gespenst, der Sozenfresser, der Axel Springer aller bayerischen rechtschaffenen Linksintellektuellen – SZ -Beteiligung hin oder her. Auch wenn mich die linksliberale Abendzeitung zuvor noch als Nachfol ger von Klatschkolumnist Michael Graeter verpflichten wollte. Das war damals ein Megajob, mit heute gar nicht zu vergleichen. Graeter war der liebe Gott in München, über ihn hat Helmut Dietl später seine Serie Kir Royal gemacht, in der Franz-Xaver Kroetz den Baby Schimmerlos gespielt hat, die Filmversion von Graeter. Und Dieter Hildebrandt war sein Fotograf.
»Das wär was für dich, das musst du machen«, hatte mich der leitende AZ -Redakteur Wolf Heckmann am Stammtisch im Simpl in seiner gewohnt robusten Art angebellt. »Du musst nur wissen, wer in München mit wem vögelt. Und noch besser ist es, wenn du weißt, wer mit wem nicht mehr vögelt. Und ich weiß, dass du das weißt.« Das war damals das Berufsbild eines Klatschkolumnisten. Damals ging es noch um echte Stars und nicht wie heute um C-Promis beim Telefonzelleneröffnen in München-Pasing. Wegen dieses Angebots saß ich sogar zweimal im Büro von AZ -Chefredakteur Udo Flade in der Sendlinger Straße, alles war schon abgenickt. Es gab nur ein einziges, allerdings ein richtiges Problem: Ich hätte am Wochenende nicht gekonnt, wenn Sport war. Und ein Klatschreporter, der am Wochenende keine Zeit hat, wenn gevögelt wird oder auch nicht, war dann doch keine so gute Idee. Das fand vor allem auch der verantwortliche Lokalchef Ernst Fischer, der verständlicherweise keine Lust hatte, am Wochenende Aushilfen zu bezahlen, weil sein Starkolumnist im Fußballstadion hockt.
Ich habe dem Herrgott und dem AZ -Betriebsrat, der gegen mich gekämpft hat wie gegen den Gottseibeiuns, sehr oft gedankt, dass ich nicht der neue Graeter wurde. Denn später saß der im Gefängnis, und ich weiß nicht, ob ich auch so weit gekommen wäre. Fast allen bei der Abendzeitung ging die Muffe, jetzt kommt der schwarze Waldi – als ob Graeter der ausgewiesene Chefliberale gewesen wäre. Aber anscheinend hatte der Betriebsrat das Gefühl, im bewaffneten Kampf zu stehen.
Dabei war TV Weiß-Blau alles andere als CSU -Fernsehen. Es hat nur einen einzigen Eingriff in die Programmhoheit des Chefredakteurs Waldi Hartmann gegeben, nämlich als eine Diskussion anlässlich des Münchner Filmfests stattfand. Meine Filmredakteurin führte diesen Talk live, unter anderem mit Peter Timm, Regisseur der deutsch-deutschen Komödie Meier . Die Redakteurin wollte von ihm wissen, was er im Fall eines Gewinns mit den 50000 Mark Preisgeld machen würde. Und Timm erklärte, dass er einen Teil für eine deutsch- polnische Jugendbegegnungstätte spenden wolle, der die Bayerische Staatsregierung noch jede Menge Geld schulden würde. O weh, das war ein Politikum damals!
Ich war im Regieraum dabei und fand das nicht besonders aufregend. Ein anderer Zuschauer, einer vor dem heimischen Fernseher, aber schon: FJS , der »Ahnherr«, wie er familienintern hieß. Denn immer,
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