Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Wirtschaftsminister Anton Jaumann und einige andere. Aber viel wichtiger war: Ich kannte die Fahrer der hohen Herren. Mit denen habe ich immer die neuesten Witze ausgetauscht und über Fußball philosophiert. Und die Fahrer haben alles gewusst. Damals, als das Handy noch nicht erfunden war, gab es nur Autotelefone, Politik wurde bevorzugt auf Autorücksitzen gemacht – und die Fahrer hör ten alles mit.
Ich also immer vor der Pressekonferenz zu den Fahrern: »Wie geht’s, was ist los, worauf muss ich aufpassen?«
»Du, heute ist nix.«
Ein anderes Mal hat es dann aber geheißen: »Du, sei vorsichtig, heit schebbert’s.« Und wenn die Fahrer gewusst haben, dass es scheppern wird, dann hat es auch gescheppert. Und wie! Ich war also immer bestens vorbereitet. Und ich habe jeden Dienstag mit dem großen Franz Josef mein Interview gemacht, nach der offiziellen Pressekonferenz.
Damals gab es noch kein Radio Gong und kein Energy und wie die ganzen anderen Mikrofonhinhalter so heißen. Was Strauß im Bayerischen Rundfunk gesagt hat, war regierungsamtlich. Wir waren der einzige Radiosender, der da war. Zur Pressekonferenz wurden aufgebaut: drei blaue Mikrofone vom BR -Radio, zwei blaue Mikrofone vom BR -Fernsehen – und an höheren Feiertagen gab sich das ZDF die Ehre.
Vor unseren Interviews führten Strauß und ich immer ein kleines Vorgespräch. Da war’s ganz gut, dass ich anständig vorbereitet war – von meinen Chauffeuren und von der Presse konferenz davor.
Von Anfang an bin ich ganz normal mit ihm umgegangen, das hat ihm wahrscheinlich gefallen angesichts der ganzen sonstigen Katzbuckelei um ihn herum. Ich habe ihm gesagt: »Herr Ministerpräsident, Sie wissen ja selber, ich habe immer an die dreieinhalb Minuten Zeit, und in diesen dreieinhalb Minuten würde ich gerne mit Ihnen die wichtigsten Themen in einem Frage- und Antwortspiel durchgehen. Und den Rest packen wir in die Moderation. So habe ich mir das vorgestellt.«
Dann hat er straußmäßig mit dem Kopf gewackelt und ein bisserl gewippt und geantwortet: »Wenn Sie sich das so vorstellen, dann mach ma’s so.«
Und so hamma’s g’macht. Ich habe gemerkt: Der mag mich. Und so war beim BR immer der Hartmann für den Strauß zuständig. Wenn etwas mit Franz Josef zu tun war – der Waldi macht’s schon.
Das hat auch immer gut hingehauen – bis ich irgendwann während so einer inoffiziellen FJS - BR -Regierungserklärung merkte: Au weh, das Tonband ist aus. Ich hatte vor dem Interview vergessen, an den Anfang zurückzuspulen. Das Tonband machte ganz leise schlapp, schlapp, schlapp, ein furchtbares Geräusch in meinen Ohren – und ich dachte mir: Leck mich am Arsch, was mach ich jetzt? Der Herr Ministerpräsident redet und redet, erklärt die Welt, wie sie wirklich ist – und wenn er jetzt die politische Bombe zündet, habe ich ihn nicht auf dem Band. Das würde ganz schlecht ankommen daheim beim BR .
Ich also, meinen ganzen Mut zusammengenommen, zu Strauß: »Ähm, Herr Ministerpräsident …«
»Wos is?«
»Herr Ministerpräsident, das tut mir jetzt leid, aber das Bandl ist rausgerutscht.«
»Mach amal auf!«
Ich mach also das Uher auf. Der Herr Ministerpräsident schaut rein: »Ja, das war ja schon ganz durchgespielt!« Ich, staunend: »Ja, gibt’s denn des auch!« Er, durchaus nicht unamüsiert: »Hartmann, von Politik haben Sie keine Ahnung. Aber ich habe zumindest erwartet, dass Sie Ihr Handwerkszeug beherrschen.«
Und dann hat er mir die Lage der Nation noch mal von vorn erklärt …
Meine Lieblings-Strauß-Geschichte hat sich 1980 zugetragen, auf der Allgäuer Festwoche in Kempten. Strauß war Kanzlerkandidat – mit einem Mordsrespekt für seinen Gegenspieler Helmut Schmidt. Ich erinnere mich noch, dass die CSU -Wahlkampftruppe damals einen sehr bösen und persönlich verletzenden Film über Schmidt gemacht hat. Der lief nur einmal, ohne das Wissen von FJS , auf dem CSU -Parteitag. Strauß hat die Verantwortlichen noch am gleichen Abend rasiert und gesagt, diesen Film will ich nie mehr sehen, so kann man mit einem Mann wie Helmut Schmidt nicht umgehen. Auch das war Franz Josef.
Zurück zur Allgäuer Festwoche. Ich stand da, Liveüber tragung in der Bayern-Chronik des BR -Hörfunks, Rundgang des Kanzlerkandidaten. Der Moderator kündigte an: »Ich gebe ab zu Waldemar Hartmann und dem bayerischen Ministerpräsidenten« – nur leider war weit und breit kein Strauß zu sehen. Also habe ich ein bisserl was von den herrlichen weiß-
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