Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Geburtstag das Du angeboten hatte. Ich habe schon ganz andere verlogene Lobhudeleien an offenen Gräbern erlebt.
Die Verhandlungen mit dem ZDF haben sich jedenfalls zerschlagen, weil ich mich nicht noch einmal hochdienen wollte und der Einstieg als kleiner Reporter bei Bonn direkt mir nicht recht schmeckte. Also hab ich zu Stolte gesagt: »Herr Stolte, eine Minute dreißig aus dem Bundestag in Bonn mache ich nicht mehr.« Ich nach Bonn zur Anstaltslehre beim ZDF und irgendeinem fällt dann nach zwei Jahren doch ein, dass die Farbenlehre mittlerweile wieder ganz anders ausschaut? Nein, Herr Intendant, das brauch ich dann doch nicht. Also kein Hartmann beim ZDF .
Ehrlich gesagt, ich war etwas rat- und orientierungslos, bis mich Feller wieder anrief: »Was ist jetzt, wofür hab ich Ihnen die Rückfahrkarte ausgestellt?«
»Ich weiß nicht recht, Herr Feller, das blöde Gerede in der Kantine, das passt mir alles gar nicht.«
»Dann gehen Sie eben nicht in die Kantine zum Essen.«
Also ich raus zu ihm nach Freimann. Wir hatten ein gutes Gespräch, er verlangte allerdings eine Entscheidung von mir: Politik oder Sport. Beides geht nicht mehr: »Wir geben in der ARD Gas, und da kann es nicht sein, dass der Politikmoderator ständig aus dem Fußballstadion berichtet.«
Nach einem Gespräch mit Sportchef Eberhard Stanjek habe ich das Herz entscheiden lassen. Und mein Herz schlug für den Sport. Das bedeutete das Ende des politischen Journalisten Waldemar Hartmann. Und den Beginn für den Sportjournalisten Waldi Hartmann, wie man ihn danach fünfundzwanzig Jahre lange kannte. Es war die letzte ganz große Gabelung in meiner beruflichen Laufbahn. Denn damit hatte ich meine Heimat, ohne Politik, im Sport, beim BR . Und weil wir ein gewichtiger Sender in der ARD waren und Eberhard Stanjek eine gewichtige Stimme in der Sportchefrunde, kam der Hart mann in den ARD -Sport.
Welchen Einfluss die Politik auf den Rundfunk in Deutsch land nehmen konnte – und bis heute nehmen kann –, habe ich dann unter Strauß-Nachfolger Max Streibl erlebt. Nach dem Vorbild von Brandt-Aktionen wie »Wir für Willy«, in denen sich Prominente vor Wahlen zu Brandt bekannten, wollte Streibl für die Landtagswahl 1990 eine Art »Wir für Max«. Sein Referent Elmar Stelzer, ein alter Spezi aus Augsburg, rief mich an und zusammen überredeten wir die Bayern-Fußballer Stefan Reuter, Roland Grahammer und Raimond Aumann zum Mitmachen. In Aumanns Anzeige stand dann riesengroß der Text: »Weil wir in Bayern keinen Links außen brauchen, sondern eine Sturmspitze.« Die Jungs haben dann, kein Scherz, Morddrohungen aus der Südkurve bekommen.
Streibl jedenfalls war zufrieden, die Landtagswahl gewann er auch. Bei einem Essen für seine Unterstützer setzte er sich neben mich: »Ich habe gehört, dass Sie das mit initiiert haben, und ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen. Es ist gut zu wissen, dass man Freunde hat. Denn Sie wissen ja, meine Gegner sitzen nicht in der SPD oder in der FDP . Meine Gegner sind in der CSU , der Strauß-Clan.« Ich darauf: »Aber Herr Ministerpräsident, Sie wissen, dass ich der Familie nahestehe.« – »Das weiß ich. Aber ich biete Ihnen mehr.« Logisch: Er war jetzt derjenige, der an den Schalthebeln saß.
Das war nicht bloß so dahergesagt, denn die Streibl-Geschichte hat eine Fortsetzung: 1 992 wurde ich beim Bayerischen Rundfunk fest angestellt, aber ich war mit der angebotenen Tarifgruppe nicht ganz glücklich. Im Vertrag, der bei mir landete, stand nicht die Einstufung, die mir davor fest zugesichert worden war und auf die mich verlassen hatte. Auf gut Deutsch gesagt: Ich habe mich verarscht gefühlt. Diesen Vertrag unterschreibe ich nicht! Ich war ja verwöhnt vom BR , zumindest in finanzieller Hinsicht. Und dann habe ich überlegt, was mach ich denn wegen meiner Tarifgruppe, und bin auf eine Idee gekommen: Der Ministerpräsident schul det mir doch noch einen Gefallen! Streibls Satz bei diesem Essen 1990 hatte ich noch genau im Ohr: »Wenn was ist, dann melden Sie sich!« Und jetzt war was.
Ich rufe also an in der Staatskanzlei, die Vorzimmerdame ist Fußballfan, ich bekomme sofort am nächsten Tag um zehn in der Früh einen Termin beim MP – auf den selbst Minister normalerweise wochenlang warten mussten. »Was kann ich ihm denn ankündigen?«, erkundigt sich die Streibl-Dame. »Die Personalabteilung beim BR , die veräppelt mich.« Ich am nächsten Morgen also hin zum Streibl. Grüß Gott, Herr
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