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Driver

Driver

Titel: Driver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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Hunger?«
    »Könnte was vertragen.«
    »Woher wusste ich das nur?«
     
    Es war ein klassischer Kleinstadt-Imbiss, Vitrinen übervoll mit Braten, Shrimps, scharf gewürzten Chickenwings, Bohnen mit Würstchen, Bratkartoffeln, Roastbeef. Dazu Hüttenkäse, Gemüse in Aspik, grüner Salat, Pasteten, Möhren- und Sellerieschnitze, Bohnenauflauf. Die Gäste: eine Mischung aus Arbeitern, Angestellten aus den nahe gelegenen Büros in kurzärmeligen Hemden und Polyester-Kleidern, blauhaarige alte Damen. Letztere kamen jeden Nachmittag in ihren panzerartigen Autos vorgefahren, erzählte Jodie, die Köpfe kaum sichtbar hinter Steuer und Armaturenbrett. Jeder wusste, dass man dann besser nicht auf der Straße war.
    »Haben Sie keine Arbeit, um die Sie sich jetzt kümmern müssten?« fragte Driver.
    »Nö, meine Zeit gehört mir. Dafür kann ich mich beim Vietcong bedanken. Die Behörden hatten mich wegen bewaffnetem Raubüberfall am Wickel, wissen Sie, und der Richter sagt, er gibt mir eine Chance, ich kann mich freiwillig melden oder wieder in den Knast gehen. Ich fand’s da schon beim ersten Mal nicht so toll, konnte mir kaum vorstellen, dass es erheblich besser geworden war. Also ziehe ich die Grundausbildung durch, werde verschifft, und nach ungefähr drei Monaten sitz ich da und genehmige mir gerade das erste meiner gewohnten Frühstücksbierchen, da erwischt mich auch schon ein Scharfschütze. Hab die gesamte Dose verschüttet. Das Arschloch war die ganze Nacht da draußen und hat gewartet. Die fliegen mich nach Saigon, entfernen mir einen halben Lungenflügel und schicken mich dann zurück in die Staaten. Mit der Invalidenrente komm ich einigermaßen zurecht, solange ich keinen Wert lege auf anderes als fettige Hamburger und billigen Alk.«
    Er trank seinen Kaffee aus. Das Hula-Mädchen auf seinem Arm tanzte. Darunter schwang wabbeliges Fleisch wie der Kehllappen eines Truthahns.
    »Schätze, Sie waren selbst schon mal im Kampfeinsatz.«
    Driver schüttelte den Kopf.
    »Dann aber Knast. Sie haben schon gesessen.«
    »Noch nicht.«
    »Ich hätt’s schwören können …« Er nahm einen weiteren Schluck aus seiner Kaffeetasse und stellte überrascht fest, dass sie leer war. »Aber was zum Teufel weiß ich schon.«
    »Wie sieht der Rest von Ihrem Tag aus?« fragte Driver.
    Beschissen, wie üblich. Jodie wohnte in einem Wohnwagen in Paradise Park. Mit Blick auf die Interstate. Überall standen ausrangierte Kühlschränke, Stapel abgefahrener Reifen und verrostete Autos ohne Räder herum. Ein halbes Dutzend Hunde bellte und knurrte in der Siedlung ohne Unterbrechung. In Jodies Spüle in der Küche hätte sich wahrscheinlich schmutziges Geschirr getürmt, wenn er genug Geschirr dafür gehabt hätte. Das wenige, das er besaß, stand allem Anschein nach schon eine ganze Weile im Becken. Fett schwamm in den Vertiefungen des Herdes.
    Jodie schaltete den Fernseher ein, sobald sie hereinkamen, wühlte in der Spüle herum, wusch zwei Gläser mit Leitungswasser aus und füllte sie mit Bourbon. Ein räudiger Hund unbestimmter Rasse kam ihnen zur Begrüßung aus den Tiefen des Wohnwagens entgegen, um dann völlig erschöpft von der Anstrengung vor ihren Füßen zusammenzubrechen.
    »Das ist General Westmoreland«, erklärte Jodie.
    Sie schauten sich eine alte Verfilmung von Der dünne Mann an, danach eine Folge von Detektiv Rockford – Anruf genügt, tranken dabei ständig Bourbon. Drei Stunden später, kurz bevor Driver in seinem Truck wegfuhr, brach auch Jodie zusammen. Genau wie der Hund. Driver hinterließ ihm einen Zettel, auf dem Vielen Dank stand, und ein Bündel Fünfzigdollarscheine.

25
    Er kam in einem Karton nicht viel größer als eins der Lexika, die im Wohnzimmer hinter verstaubten Figurinen von Fischen und Engeln aufgereiht auf einem Regal standen. Wie konnte ein ganzer Tisch nur da hineinpassen? Der Beistelltisch, hieß es in der Werbung, war von führenden amerikanischen Designern entworfen worden. Zusammenbau erforderlich.
    Das Paket kam gegen Mittag. Seine Mutter war schrecklich aufgeregt. Wir werden warten und es erst nach dem Mittagessen auspacken, sagte sie.
    Sie hatte den Tisch bei einem Versandhaus bestellt. Er erinnerte sich, dass er sich darüber gewundert hatte. Würde der Postbote klingeln und, wenn sie die Tür aufmachte, ihn einfach überreichen? Ihr Tisch ist da, Ma’am. Man malt einen Kreis, schreibt eine Zahl auf ein Blatt Papier und legt einen Scheck bei – und schon taucht ein Tisch vor deiner

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