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Driver

Driver

Titel: Driver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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dieser Stadt würden jetzt ihre Arbeit liegen lassen und zum Lunch gehen. Oder in irgendeinen briefmarkengroßen Park fliehen. Zu Hause anrufen, hören, wie’s den Kids geht, bei einem Buchmacher eine Wette abschließen, ein Date mit der Geliebten vereinbaren. Das Motel war leer und verlassen. Als das Zimmermädchen an die Tür klopfte, sagte er, bei ihm sei alles bestens, er brauche heute keinen Zimmerservice.
    Er dachte an die Zeit, kurz nachdem er nach L.A. gekommen war. Wochenlang versuchte er, der Straße fernzubleiben, jeder Gefahr aus dem Weg zu gehen, den herumstreifenden Aasgeiern und den Cops. Wochenlang kämpfte er ums Überleben, darum, sich einfach nur über Wasser zu halten. Wo sollte er in Zukunft wohnen? Womit würde er seinen Lebensunterhalt bestreiten? Würden die Behörden aus Arizona plötzlich hier aufkreuzen und ihn zurückschleifen? Er wohnte, schlief und aß im Galaxy, immer die Umgebung im Blick, seine Augen stets unruhig von der Straße hoch zu den Fenstern und Dächern, zu den Schatten hinten in der Gasse wandernd.
    Dann überkam ihn ein tiefer Frieden.
    Eines Tages schlug er die Augen auf und alles war anders. Er besorgte sich seine übliche doppelte Ladung Koffein in dem Laden um die Ecke, hockte sich auf eine niedrige Mauer vor einer Hecke, in der sich Lebensmittelverpackungen und Plastiktüten verfangen hatten. Später begriff er, dass er fast eine Stunde dort gesessen hatte, ohne auch nur ein einziges Mal an irgendwas zu denken.
    Das meinen Leute, wenn sie von der Gunst der Stunde sprechen.
    An diesen Augenblick, diesen Morgen erinnerte er sich lebhaft, wann immer er an jene Zeit zurückdachte. Doch schon bald setzten Zweifel ein. Er wusste nur zu gut, dass das Leben an sich nichts als Durcheinander und Bewegung war. Was immer dem zuwiderlief, konnte nicht das Leben, sondern musste etwas anderes sein. War er in einer Variante jener Nichtweit gefangen, in der das Leben seiner Mutter unbemerkt auf kleiner Flamme verkocht war? Zum Glück lernte er zu dieser Zeit Manny Gilden kennen.
    Und jetzt rief er aus einer Telefonzelle Manny an, genau wie er es an diesem Abend vor so langer Zeit getan hatte. Eine halbe Stunde später spazierten sie am Meer Richtung Santa Monica, nur einen Steinwurf vom Warszawa entfernt.
    »Als wir uns damals kennen lernten«, sagte Driver, »und ich noch ein Kind war …«
    »In letzter Zeit mal einen Blick in den Spiegel geworfen? Du bist immer noch ein kleiner Scheißer.«
    »… da hab ich dir erzählt, ich wär mit mir selbst im Reinen und dass mir das Angst mache. Erinnerst du dich daran?«
    Ein Museum für amerikanische Kultur im Kleinformat, eine aufgeschlitzte Zeitkapsel – Burger- und Taco-Verpackungen, Limonaden- und Bierdosen, abgebundene Kondome, Seiten aus Illustrierten, Kleidungsstücke – wurde mit jeder Welle ans Ufer gespült.
    »Ich erinnere mich. Was du erst noch herausfinden wirst, ist, dass nur die Glücklichen vergessen können.«
    »Klingt hart.«
    »Eine Zeile aus einem Drehbuch, an dem ich gerade arbeite.«
    Danach sagte für eine ganze Weile keiner mehr ein Wort. Sie gingen den Strand entlang, geschäftiges Treiben umgab sie, von dem sie nie Teil sein würden. Skater, Bodybuilder, Pantomimen, Heerscharen unbekümmerter junger, wechselweise gepiercter und tätowierter Frauen. Bei Mannys letztem Projekt ging es um den Holocaust, um Paul Celan: Es war Erde in ihnen, und sie gruben. Diese Menschen schienen sich irgendwie freigegraben zu haben.
    »Ich habe dir doch meine Geschichte über Borges und Don Quichotte erzählt«, sagte er zu Driver. »Borges schreibt über diese wunderbare Abenteuerlust, über die Edelmänner, die losreiten, um die Welt zu retten.«
    »Selbst wenn’s nur gegen ein paar Windmühlen geht …«
    »… und ein paar Schweine.«
    »Dann sagt er: ›Die Welt ist leider real; ich bin leider Borges.‹«
    Sie waren wieder an dem Parkplatz angekommen. Manny ging zu einem waldgrünen Porsche und schloss ihn auf.
    »Du hast einen Porsche?« sagte Driver. Mein Gott, er hatte nicht mal gedacht, dass Manny überhaupt Auto fuhr. So wie er lebte, wie er sich kleidete. Driver bat darum, ihn nach New York zu bringen.
    »Warum hast du mich angerufen, Junge? Was wolltest du von mir?«
    »Die Gesellschaft eines Freundes, glaube ich.«
    »Jederzeit gern.«
    »Und, um dir zu sagen …«
    »Dass du Borges bist.« Manny lachte. »Genau das bist du, du blöder Hund. Genau darum geht’s.«
    »Ja. Aber jetzt erst verstehe ich es.«

34
    Der

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