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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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an. Wildblumen kitzelten ihre Schienbeine. Ihre Haut glänzte wie gebutterter Toast. Er dachte, er werde nie wieder ein Bild sehen, das so perfekt in einen Rahmen paßte. »Dann bauen wir es also mit dem Fenster nach Osten hin?«
    »Hängt davon ab, ob du lieber morgens oder nachmittags Sonne hast. Natürlich sprechen wir im Winter dann von Mondlicht. Warst du jemals im Winter hier draußen – außerhalb einer Ortschaft, meine ich?« Jetzt dachte er an Jill. Jill will weg. Jeder wollte hier weg, wenn die Nacht anbrach, die Nacht, die nicht mehr aufhörte, wenn die Wände des Blockhauses zu schrumpfen schienen, bis es so war wie in einer dieser Flash-Gordon-Folgen, wo die Wände aufeinander zukamen, um einen wie im Schraubstock zu zerquetschen. Flash hatte allerdings immer fliehen können. Das tat auch die Mehrheit der Frauen, die nach Alaska kamen, weshalb ja auch auf jede Frau in Boynton drei Junggesellen mit Buschkoller kamen. Und das erklärte, warum Howard Walpole, Richie Oliver und überhaupt fast jeder zweite geschieden war. Die Nacht raubte einem die inneren Kräfte, so daß die meisten Menschen, vor allem wohl Frauen, nur auf äußere Ressourcen zurückgreifen konnten, um durchzuhalten – Einkaufen, Klatsch und Tratsch und Restaurants mit schönen Leuchtern an der Wand, um es konkret zu benennen.
    »Ich kenne Boynton«, sagte sie. »Hey, ich bin in Anchorage geboren .«
    Er wollte ihr erklären, daß das nicht genügte, daß das gar nichts hieß, denn in der Stadt, in jedem letzten Kaff konnte man immer noch in die Kneipe gehen oder ins Kino oder fernsehen, und klar, wenn man doch mal die Sonne sehen wollte, dann flog man kurz nach Hawaii, sofern man die Kohle dazu hatte, aber jedenfalls war die Tatsache, daß es vor den doppelten Fensterscheiben der zentralbeheizten Wohnung Tag und Nacht dunkel war, nicht mehr als einen flüchtigen Gedanken wert. Er wollte ihr von dem Pärchen erzählen, das Jill damals gekannt hatte: sie hatten irgendwo im Zuflußgebiet des Porcupine River in einer alten Bergmannshütte die Pioniere spielen wollen und sich am Ende aus schierer Langeweile beinahe totgevögelt, vier-, fünf-, sechsmal am Tag, bis sie beide so wundgescheuert waren, daß ihre Haut an rohes Rumpsteak erinnerte, und als sie im Frühling wiederauftauchten, ließen sie sich scheiden und suchten sich vermutlich Arbeit in der Süßwarenindustrie. Aber er hielt den Mund, weil sie so hübsch und frohgemut war und weil es weder der rechte Ort noch der Zeitpunkt war. Es war Zeit für Optimismus, für die Liebe – für Anfänge, nicht für Schlüsse.
    »Also, ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich glaube, ich hab lieber morgens Sonne. Wie steht’s mit dir?«
    »Ich steh auf Nachmittagssonne, und deshalb hab ich auch das kleine Fenster nach Westen da drüben eingesetzt, andererseits kommt das Wetter meist aus Nordwesten, und man kann das Fenster nie fest genug abdichten, jedenfalls nicht, wenn es mal richtig stürmt.«
    Sie hörte gar nicht zu. Sie stand wie ein Stelzvogel auf einem grazilen Bein, den nackten Fuß in die Kniekehle gestemmt. Sie sah nach Süden, wo etwa hundert Meter entfernt ein Hain von Schwarzfichten die Wipfel in den Himmel reckte. »Werden wir die da fällen, die Fichten dort drüben?« fragte sie.
    Er ging auf sie zu, umschlang sie und wiegte sie in den Armen. Die Bäume waren mindestens zweihundert Jahre alt, obwohl sie nicht höher und nicht breiter waren als fünfzehn Jahre alte Plantagenkiefern in den achtundvierzig Staaten weiter südlich. »Weiß nicht recht«, sagte er, »diese Bäume geben doch eine wahnsinnig schöne Aussicht von hier. Ich dachte eher, wir fahren flußaufwärts und holen uns ein paar Stämme auf dem Wasser herüber, wie Flößer in alten Zeiten.«
    »Hast du so was schon mal gemacht?«
    Nein, hatte er nicht. Für dieses Blockhaus hatte er das Holz genommen, das gerade dort wuchs, aber er hatte sich damit gerechtfertigt, daß ein Haus ja eine Lichtung braucht, und jetzt standen die Stümpfe draußen in dem eingefaßten Vorplatz, überwuchert von Scheinkreuzkraut, Eisenhut und Schafgarbe. Aber es schien ihm eine gute Idee zu sein, und er stellte sich schon vor, wie sie gemeinsam arbeiteten, gegenüber von Roys altem Haus, er würde die Bäume fällen und sie die Äste abhacken, und dann würden sie sie einfach ins Wasser rollen und mit dem Kanu herbringen, mit Hilfe von ein paar Seilen und vielleicht dem Landungshaken oder einer eingekerbten Stange. Es bedeutete mehr Arbeit,

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