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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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von Star auf der Sitzbank fläzte, sagte »Geflügelleber«, als hätte sie daran schon wochenlang gedacht. »Darauf steh ich total. Und dann diese Selleriestangen mit Schimmelkäse-Dip. Schwedische Fleischklößchen auf Zahnstochern. Kanapees und Champagner. Wo ich früher gearbeitet habe, da haben die immer solche Partys gefeiert, und da hab ich mich meistens an der Vorspeisenplatte verschanzt und total reingehauen.«
    »Und wie wär’s damit?« fragte Reba und lehnte sich im Flackern der entgegenkommenden Scheinwerfer vor, um Lydia zwei Dosen mit Räucherschinken zu reichen.
    »Hummer«, sagte Merry. »Mit zerlaufener Butter.«
    »Aber du hast nicht wirklich gelebt, solange du nicht das Crab Louis bei ›Metzger’s‹ an der Tomales Bay gekostet hast«, meldete sich Maya zu Wort. »Da bin ich einmal gewesen, das war kurz nach der Highschool, und zwar mit ...«
    »Ich weiß schon«, sagte Reba, »mit diesem Typ namens Jack. Haare bis zum Arsch und Fu-Manchu-Schnurrbärtchen, nicht?«
    Star lachte. Sie mußten alle lachen.
    Maya sprach etwas leiser. »Eigentlich war ich mit meinen Eltern dort. Sie haben mich und meinen Bruder damals auf einen Urlaub an die Westküste eingeladen. War ihr Geschenk zu meinem Schulabschluß.«
    Darauf hatte niemand etwas zu sagen, und sie schwiegen, während der Bus auf dem Weg zur kanadischen Grenze eine Reihe von weitgeschwungenen Kurven nahm. Der Motor brachte sie mit seinem steten Brausen voran, als säße vorn unter der Haube ein riesiger Staubsauger. Der Wind rüttelte an den Scheiben, leiser Nieselregen fiel. Sie hörten Norms Stimme vom Fahrersitz, ein pausenloses Gebrabbel aus Ideen, Meinungen und unwiderlegbaren Tatsachen, angefeuert von Ronnies Speed ebenso wie von Premstars milchzarter Haut, und konnte eigentlich irgendwer Premstar leiden oder auch nur ausstehen? Nein, niemand. In diesem Punkt waren sich alle stillschweigend einig.
    »Krabbencocktail«, sagte Reba und schob sich noch eine Sardine in den Mund, dann kaute sie rund um die Wörter herum, »ein guter Krabbencocktail, mit großen Krabben drin, richtig groß, so lang wie ein Mittelfinger, und einer würzigen Cocktailsauce, auf Eis serviert, das würde ich in jedem Zustand bestellen.«
    Star sagte: »Oder Pistazien. In der Schale. Wo man ganz rote Finger bekommt. Hat irgend jemand auf der Welt davon je genug gekriegt?«
    »Wißt ihr«, begann Merry, und sie sprach so tonlos und gedämpft, daß man sie kaum verstehen konnte, »ich hab meine Eltern nicht mehr gesehen, seit ich sechzehn war. Das sind so an die fünf Jahre. Dabei hasse ich sie nicht mal oder so was. Es hat sich einfach so ergeben.«
    »Wo kommst du noch mal her?« wollte Reba wissen.
    Leise, als wäre es ein Gebet: »Cedar Rapids.«
    »Cedar Rapids? Wo ist denn das?«
    »Das liegt in Iowa«, antwortete Lydia für sie.
    »Oh, Iowa «, sagte Reba und ließ es so uncool und lahm klingen wie Peoria oder New Jersey, und Star spürte, wie die gute Laune davonglitt.
    »Da war dieser Typ«, fing Merry erneut an, und ihr Gesicht wurde jäh von einem Scheinwerferpaar erhellt, ehe es wieder im Zwielicht versank, »dieser Freak, der war dreiundzwanzig und hatte sein eigenes Auto und Kohle, wie ich das noch nie gesehen hatte, richtige Rollen mit Zwanzigern und so in der Tasche. Aber das war nicht der Auslöser – so war ich nicht. Und ich bin auch jetzt nicht so. Geld hat mir nichts bedeutet, nur daß es einem Freiheit erkaufen konnte – und dann meine Eltern, meine Güte , und diese Schule. Ihr kennt ja die Geschichte. So was kennen wir alle, oder?«
    Niemand ging ihr an die Angel. Star rutschte auf der Bank herum. Sie hörte, wie Lydia die Hand tief in die Crackerschachtel steckte.
    »Er hieß Tommy Derwin und kam aus dem Süden, aus Mobile, und sein Dialekt war einfach umwerfend. Wenn er Sachen sagte wie ›Schätze, ich würde mich absolut geehrt fühlen, wenn Sie einverstanden wären, heute abend mit mir auszugehen, Miss Merra Voight‹, und dann fuhr er mit mir in eine Bar nach Iowa City, wo einen nie irgendwer nach dem Ausweis fragte, und dann in ein Motel, als Mann und Frau, auf dem Rückweg nach Cedar Rapids. Ich hab nicht lange nachgedacht. Als er sagte, gehen wir nach San Francisco, da läuft richtig was ab, bin ich sofort mit.«
    Lydia verteilte Cracker, die sie mit Schinkenaufstrich belegt hatte, und Star nahm einen, Reba auch, aber Maya und Merry winkten ab – Schinken war schließlich Fleisch, Schwein, totes Schwein, egal, wie man es verbrämte.

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