Drop City
Leute herum wie die Zombies, rempelten einander an, fluchten leise. Die Hunde begannen zu winseln. Jemand nieste. »Wo ist Ronnie?« fragte Marco, und seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton, den Star nicht an ihm kannte. »Wo ist Pan? Ist er im Bus?«
Die letzten zwei Tage hatte Marco pausenlos über die Grenze geredet, die Grenze dies und die Grenze das, und daß er sich vielleicht im Kofferraum des Studebaker hinüberschmuggeln lassen sollte oder einfach einen Waldweg suchen, auf dem er so leicht von einem Land ins andere gehen konnte wie er den Bus durchquerte. Star hatte ihm das mit dem Kofferraum auszureden versucht, denn wenn sie ihn öffneten – und wieso sollten sie das nicht tun? –, hätten sie ihn kalt erwischt, andererseits waren sie dreißig Leute im Bus, ganz zu schweigen von zwei Hunden und einer Katze, und die Gefahr, daß sie alle genau checken würden, war doch gering. Schon gar nicht mitten in der Nacht.
»Du brauchst Ronnie nicht«, sagte sie. »Sitz einfach ganz ruhig da. Es wird schon gutgehen«, versicherte sie ihm, und dann sagte sie es noch einmal, als könnten die Worte es Wirklichkeit werden lassen.
»Also schön«, sagte Norm inzwischen, und jetzt redete er wieder in seiner üblichen Lautstärke, auf halbem Wege zwischen Rufen und Gebrüll, »also schön, hört mal alle her. Die Grenze liegt drei Kilometer vor uns, und wir werden da richtig lässig durchrauschen, ohne Generve, ohne Probleme. Wißt ihr, was wir sind? Wir alle? Wir sind eine Rock-Band.«
Der irre George stöhnte laut auf.
»Nein, echt. Und wir haben eine Tournee mit Konzerten in Fairbanks und Anchorage, und wo noch? Weiß nicht, Sitka? Ihr Typen mit Gitarren, nehmt sie raus, und dann macht mal ’ne kleine Session, und ein bißchen Gesang wär auch nicht übel, versteht ihr? Kapiert ihr, was ich da sage?«
Es war halb drei. Sie standen vor der kanadischen Grenze. Keinem war nach Singen zumute.
»Also gut. Das Reden übernehme ich. Und ihr Frauen – kommt schon, ihr Bräute, ihr Wunder von Drop City –, seht mal ein bißchen sexy aus, okay? Ihr seid der Backup-Chor.«
Das brachte ihm einen Lacher ein, und man spürte, wie die Spannung verflog. Die Leute begannen zu plaudern, der Typ – der Freak –, den sie alle Deuce nannten, holte seine Mundharmonika hervor und blies einen langsamen Blues, bald danach fiel Geoffrey auf der Gitarre ein, und zwei der Frauen hinten im Bus, Erika und Dunphy, legten mit ein paar vermischten Versen von »Love in Vain« los. Norm schob seine eingezogenen Schultern wieder nach vorn, wo Premstar auf dem Fahrersitz thronte wie ein Geschenk, das er noch nicht ausgewickelt hatte. Marco warf Star einen Blick zu und ging ihm nach. »Norm«, rief er, »hör mal, Norm – ich muß ’ne Sekunde mit dir reden.« Star stieg aus der Koje, weil sie plötzlich Angst hatte, und ging ihm nach.
Die Tür des Busses ging ächzend auf, und alle drei – Norm, Marco und Star – kletterten auf die Straße zu Ronnie und Mendocino Bill hinaus, während der Studebaker mit angeschalteten Scheinwerfern in einer Auspuffwolke bullerte. Sanfter Regen spritzte vom Himmel und ließ den Asphalt schimmern.Irgendwer hatte eine Flasche fallen lassen, und Star mußte aufpassen, wo sie hintrat. »Aber was willst du dann tun?« fragte Norm. »Zu Fuß rübergehen? Damit würdest du wohl nicht so sehr auffallen, oder was?«
»Wenn die mich schnappen, wandere ich in den Knast.«
»Locker, Mann, niemand wird dich schnappen. Das ist doch bloß Kanada. Ein Haufen Bauerntrottel, stimmt’s, Pan? Hab ich recht, Star?«
Das Licht des Studebaker warf einen kalten Mondglanz über Marcos Gesicht. Er duckte den Kopf, als hätten ihn die Mounties schon in die Enge getrieben und knallten ihre Peitschen. »Was ist mit Pans Wagen? Im Kofferraum, meine ich.«
Norm schüttelte sehr langsam den Kopf. Sein Blick hüpfte hinter der geflickten Brille hin und her. »Auf die Weise haben wir uns oft ins Autokino gemogelt. Einmal steckten zwei Freaks und eine Braut hinten drin, und dann hab ich die Haube nicht mehr aufgekriegt.« Er lachte. »Das war echt eine Schau. Ist ’ne ziemlich irre Nacht gewesen damals, das kann ich euch sagen.«
Ronnie sagte: »Also, ich bin dagegen. Wenn die den Kofferraum aufmachen, dann sitz ich tief in der Scheiße, oder? Wegen Menschenschmuggel, ja?«
Niemand sagte etwas. Star ergriff Marco am Arm. »Komm jetzt«, sagte sie. »Steigen wir wieder in den Bus. Bringen wir’s hinter uns.«
»Und außerdem
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