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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Panther an der Leine. Indianer hatten sie hier schon gehabt, Eskimos, Finnen, Schweden, sogar Franzosen, aber ein Schwarzer war doch etwas anderes, und Pan war sich dessen bewußt, er begriff die Anspannung, die es für Lester bedeutet haben mußte, sich immer tiefer in die Hinterwäldlerfestungen des letzten Außenpostens im neunundvierzigsten Bundesstaat vorzuarbeiten, trotzdem gab es Grenzen dessen, was er sich bieten ließ. Den Kinderschänder-Spruch hatte er noch durchgehen lassen, aber jetzt stellte sich dieser Typ doch tatsächlich hin und verhöhnte ihn frech für die Klamotten, die er anhatte? »Ich hab echt keine Ahnung, was für eine Scheiße du hier verzapfst«, sagte er.
    »Wegen der Wumme da«, sagte Lester und deutete auf das Halfter. »Und das da – was soll das?« Noch ehe Pan auch nur reagieren konnte, hatte er das Messer aus der Scheide gezogen und ließ zur allgemeinen Erheiterung die Klinge im Zwielicht der Bar rotieren. »Erzähl mir bloß nicht, du bist jetzt ein Bärenhäuter – oder machst du dir damit die Fingernägel sauber?«
    »Bärenhäuter häuten übrigens gar nichts«, warf Dale Murray ein. »Am allerwenigsten Bären.«
    Verbie saß dicht neben ihm, ihr blasses Keksgesicht blickte auf und suchte irgendwen, der ihr ein Bier ausgab. »Bärenhaut, ist das nicht so eine Plastikfolie?« war ihr Kommentar dazu.
    Pan hätte nicht sagen können, woher seine Wut kam und weshalb sie so rasend in ihm aufstieg, jedenfalls packte er Lesters erhobene Hand, mit der er sein Messer hielt, und im selben Moment riß er ihm den Hut vom Kopf und ließ ihn quer durch den Raum segeln. Lester sah ihn eisig an. Sein Haar lag flach am Kopf an, schuppig, schmutzig, zu schmalen Reihen geflochten, die von himmelblauen Schnippsgummis gehalten wurden, und so etwas hatte man schon lange nicht gesehen, jedenfalls nicht mehr seit irgendwelchen Onkel-Tom-Filmen. »Und als was bist du verkleidet? Du bist doch der mit dem Cowboyhut.«
    Leise, ganz leise: »Das ist mein Hendrix-Hut, Alter.« Lester ließ Pan das Messer nehmen und wieder einstecken, während Franklin durch den Raum ging und sich nach dem Hut bückte. »Wohl etwas überreizt heute, Pan?« tadelte Lester. »Merkst du denn nicht, daß ich Spaß mache? Merkst du das nicht? Na?«
    In diesem Augenblick drehte sich Lynette am Grill um, eine Hand in die Hüfte gestützt, und setzte sie alle davon in Kenntnis, daß weitere Ruppigkeiten drüben im Nougat auszutragen seien, weil sie nämlich diesen Blödsinn keine Sekunde länger dulden werde, sonst würden sie rausfliegen, alle miteinander.
    »Komm schon, Mann«, sagte Sky Dog, »komm schon, trink ein Bier und vergiß es – kennst doch Lester. Der will dich doch nur ein bißchen verarschen. Das war ein Witz, Alter – verstehst du keine Witze mehr?«
    Und dann war alles in Ordnung, irgendwer drückte die beiden einzigen Hardrock-Scheiben in der Musicbox, und es gab eine Runde Bier für alle, sogar für Verbie, die schon bald bei Iron Steve auf dem Schoß saß und sich auf seine Kosten einen ansoff, während er ihre Brüste knetete und ihr das Gesicht abschlabberte wie ein Hirsch eine Salzlecke. Sky Dog holte noch einen Joint hervor – »Wir haben eine Tonne von dem Zeug dabei, Alter, und an der Grenze haben die uns fast hochgehen lassen, wenn sie nur clever genug gewesen wären, auch noch im Ersatzreifen nachzusehen« –, und der Himmel draußen wurde noch einen Zahn dunkler, bis es wie die Dämmerung aussah. Pan hegte keinerlei Groll mehr. Er war froh, sie wiederzusehen, sie alle, neue Gesichter, neue Geschichten – mal ein bißchen Leben , zum Teufel –, und er trank zuerst auf Lester, um das zu klären, dann auf Franklin, Sky Dog und Dale. Und auf Harmony, Harmony nicht zu vergessen. Und auf Alice auch.
    Er hatte ein Bündel Geldscheine in der Tasche, obwohl er gar nicht recht wußte, woher. Ihm kam es vor, als wäre er weit weg von zu Hause, von jedem Zuhause, und wie er so in dem Spiegel hinter der Bar seine sonnengebräunten Züge studierte, bekam er das Gefühl, daß sein Leben eben erst begann. Schon jetzt hatte es ihn an höchst seltsame Orte verschlagen, und noch seltsamere mochten ihm bevorstehen. Tom Krishna quasselte ja immer was von Karma und Norm, Verbie und Star genauso – praktisch alle redeten davon. Und wenn es stimmte, wenn er in einem früheren Leben ein Heiliger gewesen war und nun den Dank dafür ernten sollte? Das war doch ein Gedanke. Er grinste seinem Spiegelbild zu und blendete

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