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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dabei aus, was ihm Sky Dog über den Lincoln erzählte – sie hatten ihn ein Stück weiter oben in der Stadt geparkt, ob er ihn nicht gesehen hatte? Superkarre. Wurde manchmal etwas zu heiß und fraß Öl wie ein Loch, aber ... Jedenfalls mochte er es, wie sein Bart schön zuwuchs, und die Haare – die waren jetzt so lang, daß sie den Kragen glatt verdeckten. Er sah einfach hip aus, absolut und unzweifelhaft hip, aber wer bemerkte das hier oben schon? Wen interessierte es überhaupt?
    Der Regen wurde stärker, das Prasseln gegen die Scheiben hartnäckiger. Er zündete eine Zigarette an der vorigen an und verlor den Überblick darüber, wie viele Whiskeys, geschweige denn Biere, er schon intus hatte. Der Tag schien sich zu verdichten. Verbie brach in einen Lachanfall aus, Lester kicherte vor sich hin, irgendwer klopfte ihm auf die Schulter. Und als die Tür aufschwang und Lydia hereinmarschiert kam, die Haare triefend und voller Laub und Zweige und Unkraut, weil sie auf irgendeiner Wiese die Beine breit gemacht hatte, das pitschnasse Oberteil an die Titten geklebt, händchenhaltend mit Joe Bosky wie eine Sechstkläßlerin, da sah er kaum auf. Es bedeutete ihm nichts, ganz und gar nichts. Er befand sich tief am Boden des Meeres, spürte den Druck ringsherum, auf jedem Quadratzentimeter seines Körpers, ein völlig neues Medium, das er hier durchschwamm, und was für irre Farben diese Fische hatten! Er wühlte in seinen Taschen – »Nein, nein, Joe, wirklich, ich will dir echt gern ein Bier ausgeben, da besteh ich drauf« –, bis er einen samtweich abgegriffenen Fünfdollarschein herauszog, der aussah wie aus dem Fluß gefischt und zum Trocknen über ein Räuchergestell gehängt. Er hielt ihn einen Augenblick lang in den Fingern und drehte ihn herum, dann legte er ihn auf den Tresen.

23
    Sie sang vor sich hin, leise und unmelodisch, einen Song von den Doors, den sie mal sehr gemocht hatte, der Text ebenso schräg wie die Melodie – Break on through , wiederholte sie dauernd, break on through to the other side . Das war’s. Das war alles, woran sie sich erinnerte, und wenn ihr etwas hier fehlte, wenn sie eine Wunderlampe hätte reiben und sich etwas wünschen können, dann wäre ihr sofort Musik eingefallen. Alfredo und Geoffrey waren gar nicht übel auf der Gitarre, und das gemeinsame Singen am Abend war prima – riesig , wie Ronnie sagen würde –, aber das alles war kein Vergleich damit, einfach das Radio anzustellen oder eine Platte aufzulegen, weil man eben Lust darauf hatte, sich in eine andere Welt davontragen zu lassen. Im Haus ihrer Eltern hatte sie das oft getan, allein und eingebunkert in ihrem Zimmer, während unten im Vakuum des Wohnzimmers der Fernseher dröhnte und ihr Vater sich wegen einiger zwei Meter großer Basketballspieler heiser brüllte, oder im Wagen mit ihrer Mutter, die irgend etwas über Vorhänge oder den Preis von Kalbfleisch brabbelte, und plötzlich, in einem Augenblick des funkelnden Triumphs, erscholl aus dem statischen Rauschen des Autoradios eine Sologitarre. Musik war so notwendig wie essen, wie Wasser, wie Luft, und Star befand sich mitten in der Breakthrough -Stimmung, aber sie hatte nichts als ihre eigene holprige Version, die ihr wie Fusseln an den Lippen klebte.
    Man kann nicht alles haben, sagte sie sich. Niemand bekam jemals alles.
    Reba und Merry arbeiteten neben ihr im Gemüsegarten, den sie mit Ziegenmist und Fischköpfen gedüngt hatten, dem Garten, den sie nach Norms Worten getrost hätten vergessen können, weil die Anbauperiode hier oben maximal einhundert Tage dauerte, und volle dreißig davon lagen im Juni, der längst aus und vorbei war. Aber sie – die Frauen, alle Frauen – hatten sich gedacht, wieso versuchen wir’s nicht? Vielleicht haben wir Glück. Vielleicht würde der Frost dieses Jahr etwas später kommen, würde der Sonnenschein rund um die Uhr die Prozesse von Keimung, Wachstum und Reife auf magische Weise beschleunigen. Sie schufteten wie die Wahnsinnigen, um bis zum zehnten Juli ein Stück Land zu roden und zu bepflanzen, wobei sie vor allem Herbstgemüse wählten – Rosenkohl, Rüben, Blumenkohl –, aber sie probierten auch Kartoffeln, Zuckererbsen, Zucchini und Kürbisse. Und Cannabis natürlich. Die Graspflanzen waren bereits einen knappen Meter hoch und wuchsen so schnell, daß man beinahe zusehen konnte, und selbst wenn sie nicht mehr richtig zum Blühen kamen, würden auf jeden Fall die Blätter und Stengel bleiben.
    Jetzt rollten

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