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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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niemand sonst, da stand Lester und grinste ihn an, als wäre er soeben auf die Veranda des hinteren Hauses getreten, eine Flasche Rotwein in der Hand und Marvin Gaye in voller Lautstärke auf der Anlage aus der weit offenen Tür. Lester hielt ein Glas Whiskey in der einen und einen Joint in der anderen Hand, Franklins breiter Kopf und Sky Dogs Schnurrbart rahmten ihn ein, das Ganze vor einer Kulisse aus diversen verdutzten Gesichtern sowie Lynettes wütend verkniffenen Lippen und Glupschaugen. Dale Murray hockte am anderen Ende des Tresens und schob sich einen Hamburger und ein Bier rein und quasselte Skid Denton mit mindestens ebensoviel Blödsinn voll, wie der für ihn auf Lager hatte, während der lange Lulatsch, den sie alle Iron Steve nannten, zwischen den beiden auf seinem Hocker thronte wie ein Schiedsrichter beim Tennis. »Pan, hey, Mann «, brachte Lester in seiner geraspelten Imitation einer menschlichen Stimme hervor und klemmte sich den Joint zwischen die Lippen, damit er Ronnies wieder zum Leben erwachte Hand ergreifen und mit einem Soul-Shake drücken konnte, der die Stammesidentität besiegelte und die Tiefen der Bruderschaft auslotete. Und dann drehte er sich um und krähte über die Schulter: »Hey, seht doch mal, wer hier ist: der schlimme Finger höchstpersönlich, Pan der Kinderschänder, der durchgeknallteste, weggetretenste Freak nördlich von ... was – Fairbanks. Genau, Fairbanks.«
    Es folgte ein wahrer Wirbelsturm von Händeschütteln und Schulterklopfen, und Pan war wie benommen, das mußte er zugeben, denn er hatte schlichtweg vergessen, daß diese Leute überhaupt noch existierten, und es war für ihn eine echte Leistung in gedanklicher Anpassung, sie hier in der verlorenen Welt des Three Pup neu zu erschaffen. Doch der Joint half dabei, dazu das Bier und ein Schuß Whiskey, der in seinem leeren Magen losging wie loderndes Benzin, und bald war er in ein reges Geplauder mit allen vieren vertieft und hörte sämtliche Storys: von Schlaglöchern, als kanadische Mounties verkleideten Nazischergen, Reifenpannen und Elchen, die über den Highway tanzten wie Revuegirls.
    »Scheiße, Mann, die haben Sky eingebuchtet, in irgend so einem Kuhkaff in B. C.«, sagte Dale Murray, der jetzt von seinem Barhocker aufgestanden war und in einem Crescendo von Gekicher sein Bierglas schwenkte wie einen Dirigentenstab, was Lester dermaßen losprusten ließ, daß er seinen Whiskey abstellen und sich am Tresen festhalten mußte.
    »Weswegen denn?« wollte Ronnie wissen, als der Himmel draußen bleigrau wurde und Verbie mit stumpfblödem Gesicht zur Tür hereingetrampelt kam, während die ersten zaghaften Regentropfen gegen die Fenster klopften.
    »Er hat sein großes böses Ding gezeigt ...« begann Lester, aber er konnte nicht weiterreden – es war einfach zu komisch.
    »Er hat die kleinen Mädchen da oben verschreckt«, sagte Franklin und bleckte grinsend die Zähne, und wie fühlte sich Pan dabei? Ausgeschlossen. Purer Neid durchzuckte ihn: die hatten Abenteuer erlebt, während er Reispampe essen mußte.
    Sky Dog lehnte am Tresen, zündete sich eine Zigarette an und schaffte es, reumütig und verarscht zugleich auszusehen. Das Country-Gejammere des Songs verklang, aber gleich ging der nächste los, der genauso klang. Jeder an der Theke blickte Sky Dog an und wartete auf eine Erklärung. »Erregung öffentlichen Ärgernisses«, sagte er. »Ich hab eigentlich nur ...«
    »Er hat an einen Baum gepinkelt, das hat er gemacht«, stieß Lester keuchend zwischen zwei Lachanfällen hervor. »Die Bräute waren voll eingeschüchtert, stimmt’s, Franklin?«
    »Die ganze Stadt hatte schreckliche Angst.«
    Erneutes Gelächter. Jetzt fiel auch Dale Murray ein und wieherte mit. Sky Dog wirkte etwas zugeknöpft. Er zuckte die Achseln. »So witzig war das auch wieder nicht, Leute – hat mich immerhin ’ne Nacht im Gefängnis gekostet.«
    »Richtig«, pflichtete Lester bei, »und einen hier anwesenden Nigger fünfundzwanzig Mäuse. Die du mir übrigens noch schuldig bist.« Dann wandte er sich Ronnie zu, ließ bei einem bedächtigen Schluck Whiskey den Blick bis zu seinen Stiefeln sinken und hob ihn wieder. »Und du, mein Freund«, säuselte er so leise, daß es kaum zu hören war, »als was hast du dich verkleidet – etwa als Wild Bill Hickock? Oder soll das Buffalo Bill sein? Irgendeiner von diesen Honky-Bills jedenfalls, was?«
    Lester genoß es. Er stand voll im Mittelpunkt, war im Three Pup so exotisch wie ein

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