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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vor Sess Harders Baracke – seinem pied à terre , wie Skid Denton gern sagte. Pan betrachtete den Bus, als er das Boot um die letzte Biegung im Osten der Stadt lenkte – und jawohl, der Motor lief wieder problemlos, vielen Dank, nachdem er der Benzinleitung eine längere Fellatio verpaßt und so oft an der Starterleine gezerrt hatte, daß sich sein Arm anfühlte wie ausgekugelt –, aber der Bus war jetzt nicht mehr gelb, oder nicht mehr richtig gelb. Er sah, daß sich Lydia und die übrigen Nichtstuer mit Farbe und Pinsel darüber hergemacht hatten, eine Übung in Langeweile beim Basislager, in Freizeit und Spielerei – es war wie die große Pause , zum Teufel –, während die anderen Baumstämme geschleppt und das pappige Essen aus dem Fünfzig-Liter-Topf gemampft hatten. Aber was konnte er meckern? Das hier war Kunst , Frucht und Ausdrucksmittel der Zivilisation, und das schlichte, funktionale Schulbusgelb war nun fluoreszierendem Lila, Apfelbackenrot, Quietschgrün, Leuchtorange und einem zart geäderten Rosa gewichen. Freaks sollten auch richtig freakig sein, oder nicht?
    »Wow!« sagte Verbie, und das war die erste Silbe, die ihr seit der Geschichte mit dem Grizzly über die Lippen kam. »Wow, ist das nicht stark?«
    »Was?«
    »Na, der Bus. Sie haben ihn mit lauter Gesichtern bemalt, mit ... wie nennt man das – Cartoons. Also Karikaturen, meine ich. Sieh mal, das da ist Norm, gleich bei der Tür. Und Reba. Und dahinten, gleich beim Auspuff, das bist du, Pan , mit einem Fisch in der Hand ...«
    Er steuerte das Boot ans Ufer und hielt nach Gegenständen im Wasser Ausschau, aber als alles sicher war, als er die Schraube hochgeklappt hatte und sie nur noch dahinglitten, sah er genauer hin, und da war er tatsächlich, am Ende des Busses, mit einem Kopf wie eine Glühbirne, einem dürren, anämischen Körper und zwei Fischen – zwei Fischlein –, die er an einer Schnur in der Hand hielt.
    »Pan«, sagte sie, »der große Jäger.«
    »Verbie, die große Klappe«, sagte er.
    Er kletterte aus dem Boot, und langsam hatte er echt genug von ihrem Gewäsch – sie wären um ein Haar umgekommen da draußen, war ihr das nicht klar? »Also, dich haben sie anscheinend gar nicht erst draufgemalt«, fügte er hinzu, nur um sie zu verletzen.
    Ihr Gesicht spannte sich an wie eine Faust. Sie trat aus den zwanzig Zentimeter Wasser im Boot hinaus und war vom Donner gerührt, das sah er – man stelle sich vor: der Pantheon von Drop City ohne Verbie –, dann aber erholte sie sich und warf ihm einen Blick voll purem Haß zu. »Ich bin auf der anderen Seite drauf«, sagte sie, »willst du wetten? Oder hinten, sieh doch mal hinten nach.«
    Er sah nirgends nach. Ihm war es wirklich piepegal, ob ihr Porträt innen und außen auf dem Bus prangte, ob man ihr zu Ehren eine Statue errichtet oder sie symbolisch verbrannt hatte – das Ganze war einfach kindisch, das war es –, und er ging quer über den Platz auf den Bus zu, um den Kopf zur offenen Tür hineinzustecken.
    Der Bus war verlassen – das sah Pan auf den ersten Blick. Dann stieg er auf den Flaschenkasten, den jemand auf den Boden gestellt hatte, um den Aufstieg zu der ziemlich hohen Eingangsstufe zu erleichtern, und spähte in den Gang hinein. Die Sonne drang in dünnen Bändern durch die Vorhänge und ließ die Staubfusseln aufleuchten, die in der muffigen Luft schwebten. Es herrschte das übliche Chaos, überall Kleidung, Bücher, Plattenhüllen und schmutzige Teller, hie und da zerquetschte Fliegen und Moskitos, die auf die rissigen Vinylsitze geschmiert waren, dazu ein Geruch, den er nicht recht einordnen konnte, es roch nach Promiskuität, nach Kommune . »Irgend jemand da?« rief er.
    Keine Antwort. Und das war seltsam: wo konnten sie alle sein, jetzt, mitten am Tag? In der Baracke? Am Flußufer, wo sie Gänseblümchen ins Wasser warfen? Kutschierten sie im Studebaker herum? Aber nein, er sah den Wagen am Rand der Schotterstraße stehen, und gleich daneben buckelte sich Harmonys VW-Käfer mit einer halben Tonne Dreck ab. Nun hörte er Verbies Stimme, ein kleines Triumphgeheul von der anderen Seite des Busses: »Na bitte, da bin ich! Sieh mal – da steh ich neben Angela, und ... der hier muß Jiminy sein!«
    Pan stieg rückwärts wieder aus, sein Kopf war so klar, wie er nur sein konnte, immerhin hatte er nicht mal ein Bier oder einen Zug Gras zu sich genommen, seit er am Morgen aufgestanden war, und etwas zu essen auch nicht (sein gesamtes Frühstück war der

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