Drop City
Bett und hallo, guten Morgen und wie geht’s dir heute, mein Geliebter?
Irgendwann in dieser Nacht dürfte sie sich das T-Shirt ausgezogen haben, in dem sie normalerweise schlief, obwohl sie sich nicht daran erinnerte, auch nicht daran, daß sie den Reißverschluß des Schlafsacks aufgezogen hatte. Ihr Verstand arbeitete noch sehr langsam, als wäre das Gehirn ein leerer Kessel und jeder Gedanke ein hauchfeines, widerwilliges Tröpfeln aus einem lecken Wasserhahn. Sie hatte am Abend einiges geraucht – Gras und dann noch ein paar Züge von dem Dope, das Alfredo nach der Versammlung in der Pfeife herumgehen ließ –, und wie sie jetzt so dalag und in die intensive blaue Wölbung des Zeltdachs hinaufstarrte, fühlte sie sich ausgelaugt und schwerfällig, als wäre über Nacht einer der Vampire, von denen der irre George immerzu quatschte, zu ihr hineingeschlüpft, um ihr das Blut auszusaugen und ihr statt dessen Sand in die Adern zu füllen.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie sich auch nur aufsetzen konnte – roch sie da Kaffeeduft, der vom Blockhaus heraufzog? –, aber dann wurde ihr klar, daß es keine Milch für diesen Kaffee geben würde, außer in Pulverform oder eventuell aus Dosen, mit dem Geschmack nach Blech irgendeiner Konzerntochterfabrik im verrotteten Epizentrum des militärisch-industriellen Komplexes, dem sie alle hier oben entfliehen wollten. Die Ziegen waren tot, das war die traurige Tatsache. Eben noch hatten sie Gras geweidet, mit grazilem Rucken ihrer Köpfe zarte Schößlinge von diesem oder jenem gerupft und schlitzäugig aus zutiefst in sich gekehrter Ziegentrance heraus in die Ferne gestarrt, und im nächsten Moment lagen sie ausgeweidet am Boden wie ein Paar blutige Socken. Und dann Frodo. Alle hatten diesen Hund geliebt. Man konnte ein Frisbee zwanzig, fünfzig Meter weit werfen, und er war jedesmal da, um es zu fangen, wie durch Zauberei, als könnte er fliegen – er hatte sogar das Grinsen gelernt, wie es manche Hunde tun, wirklich besondere Hunde: er legte den Kopf schief, zog die Lefzen hoch und fletschte die Zähne, um in einer echt schrägen Vierbeinerparodie die Lieblingsbegrüßung seiner Herrchenrasse zu imitieren. Frodo war auch tot. Und Ronnie – was war mit Ronnie passiert? Und mit Verbie?
Sie hatten am Vorabend beschlossen, daß einer von ihnen, falls die beiden nicht bis zum Mittag zurück wären, im Kanu flußabwärts fahren sollte, um nachzusehen, wo das Problem lag: ob es nur eine Verzögerung beim Fensterglas oder den Baustoffen war, weil vielleicht der Studebaker eine Panne hatte oder der Außenborder streikte, weil das Boot leckgeschlagen oder der Fluß zu unruhig war, irgendwas in der Art – oder ob ihr Ausbleiben eine düsterere Ursache hatte, worüber aber einstweilen niemand näher nachdenken wollte. Und wer würde fahren? Im Grunde konnten sie keinen entbehren, weil sie im Wettlauf mit der Zeit standen, und jeder, selbst Jiminy mit dem kaputten Arm, wurde gebraucht, doch irgendwann meldete sich Angela freiwillig – immerhin ging’s um ihre Schwester und um ihre Mutter –, und Bill meinte, er werde sie lieber begleiten, damit sie sich nicht verliefe, denn schließlich war sie ja erst kürzlich dem Zuchthaus eines Lebens in Pasadena entsprungen, und ihre Vorstellung von »Wildnis« hatte sich nicht viel weiter als bis zu den Grenzen von Griffith Park erstreckt.
Es war tatsächlich Kaffee. Nichts auf der Welt hatte so ein Aroma. Star strampelte sich aus dem Schlafsack frei und schlüpfte in Unterhose und Shorts, beides so feucht, daß man damit den Linoleumboden zu Hause hätte aufwischen können, dann zog sie ein schlabbriges Batik-T-Shirt über, das möglicherweise Marco gehörte – zweimal schnuppern: stimmt! –, und beugte sich vor, um die Wanderstiefel zu schnüren. In diesem Moment wichen die Hintergrundgeräusche – der Wind in den Erlen, Weiden, Pappeln und Fichten, das Gezeter der Vögel, das Gluckern des Flusses – allmählich etwas anderem, einem un natürlichen, von Menschen gemachten Laut: der ratternden, unverblümten Monotonie eines Verbrennungsmotors.
Sie trat gerade rechtzeitig aus dem Zelt, um Joe Boskys stumpfsilbernes Wasserflugzeug vorbeizischen und hinter dem Vorhang der Bäume am Ufer verschwinden zu sehen, von wo es gleich wiederauftauchte und in zwei blitzenden Lichtparabeln auf dem Wasser zum Stillstand kam. Der Motor heulte noch einmal auf und starb dann ab, während die Maschine einen Bogen beschrieb und mit dem letzten
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