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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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braune Medizinflasche. »Solange man Draht dabeihat, kann man sich immer Karnickel fangen«, erklärte er, »und die Streichhölzer, die hab ich gründlich in Paraffin getaucht und dann versiegelt. Denn wenn man trockene Streichhölzer hat, kann man immer Feuer machen, um die Kälte zu vertreiben und sich ein paar Karnickel zu grillen ...«
    Star betrachtete ihn ausdruckslos. Marco mußte unwillkürlich grinsen.
    »Na ja«, versuchte Steve es erneut, »für Notfälle eben.« Er bohrte den Stiefel in den Kies und studierte die langsame Drehung der Stiefelspitze, als wäre sie eine Wünschelrute. Dann sah er wieder auf: »Hier in Alaska nennen wir das: sich von dem ernähren, was das Land hergibt.«

25
    Es war der erste wirklich frische Tag, der August machte schon dem September Platz, der Hochsommer wich dem Frühherbst, und Pamela war allein im Blockhaus, beim Brotbacken im Holzofen im vorderen Raum. Das Rezept war eins von ihrer Mutter – 3 Tassen Mehl, 1 Tasse Vollweizen, 3 Eßlöffel Zucker, 1 Teelöffel Salz, 2 Tassen Sauerteig, 2–3 Eßlöffel zerlassenes Bärenfett (sie verwendete statt dessen Dosenbutter, weil die Bären ihres Wissens alle gesund und munter waren und einstweilen gut auf ihr Körperfett aufpaßten) –, und wenn sie es auch bei jedem der zehn bis zwölf Male, die sie hier am Thirtymile danach gebacken hatte, immer wieder ein wenig abgewandelt hatte, ergab es doch, wenn der Ofen nur heiß genug war und sie die Geduld aufbrachte, den Teig zwei Stunden oder noch länger gehen zu lassen, einen schweren, satten, schimmernden Laib Brot, der Sess die Superlative zwischen den malmenden Kiefern nur so herauszog. Ein specksteinfarbener Himmel hing tief über den Hügeln. Der Wind blies aus Nordwest, fetzte das Laub von den Bäumen entlang des Flusses, zauste den Wirsing und rüttelte an den festen Stielen des Rosenkohls im Garten. Dann und wann ließ eine Bö die Fenster scheppern.
    Sess war draußen mit Iron Steve, der auf der Fahrt vom Hippielager bei ihnen haltgemacht hatte. Die beiden hackten Holz (Steve half als Anzahlung auf das Abendessen, das er sich mit Fug und Recht erwartete), tranken Bier aus Tonkrügen und behielten das Wetter im Auge. Es sah nach Regen aus – oder nach Graupeln –, und wenn der Wind nicht umschlug, würde es Frost geben. Sess hatte in allen vier Ecken des Gartens Brennholz gestapelt, jederzeit bereit dazu, in den kalten Nächten für etwas Wärme zu sorgen, denn wie jeder Ackersmann dieser Welt wollte er die Wachstumsperiode möglichst weit ausdehnen, und man wußte ja nie: es konnte ohne weiteres in der Nacht einen Frosteinbruch geben, auf den dann ein bis zwei Wochen herrlichen Altweibersommers folgten. Im Gewächshaus hatte er prächtige Tomatenstauden stehen, Frühtomaten und Fleischtomaten, und die kleinen Kirschtomaten waren der reinste Dschungel, so daß er ein Glasfeld herausnehmen und sie in die Welt hinauswuchern lassen mußte. Pamela und er hatten süße Kürbisse gegessen, bis sie ihnen zu den Ohren herauskamen, und auf den Ranken kugelte noch genug davon herum, außerdem gab es massenhaft Ölkürbisse. Pamela hatte Tag und Nacht eingeweckt, in dem großen Topf Bohnen und Tomaten und Zucchini verkocht, dazu Erbsen, Brokkoli, alles, was eben in dieser wahnwitzigen Sonnenlichtfülle aus dem Boden schoß. Ihr Kräutergarten war auch ein richtiger Urwald, und der Kartoffelkeller war gespickt voll mit Karotten, Zwiebeln, Rüben und Kartoffeln.
    Sie hatte das Brot eben ins Backrohr geschoben, da klopfte es an der Tür, und Iron Steve schob sich in den Raum. Er hielt den Kopf gesenkt, um ihn nicht gegen den Türrahmen zu knallen, was im Laufe des Nachmittags bereits zweimal und in der Vergangenheit zu oft geschehen war, als daß man es zählen wollte. Pamela wußte nicht genau, wie groß er war – eins achtundneunzig, zwei Meter? –, aber er überragte jeden in Boynton, und mit seiner Schirmmütze, die noch dazu schräg nach oben zeigte, schrammte er fast an der Decke an und mußte zwischen den Laternen, Kesseln, Werkzeugen, Holzlöffeln und Bratpfannen, die von den Dachsparren hingen, erst einen Spießrutenlauf hinlegen, ehe er sich an den Tisch setzen konnte. Pamela mochte ihn gern. Er war vielleicht etwas einsilbig und mehr als schrullig, keine dreißig Jahre und schon ein komischer Kauz wie aus dem Bilderbuch, öfter besoffen als nüchtern, aber bei all seiner Grobknochigkeit und der harten, slawischen Architektur seines Gesichts war er doch sanftmütig und

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