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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Ein Falke schrillte vom Waldrand herüber. »Also, was ist, Pan?« hörte Marco sich sagen.
    »Das wird ja hier echt zum Kreuzverhör«, sagte Ronnie und blickte den Tisch hinunter, dabei spielte er mit seiner Gabel. Plötzlich stieß er ein Lachen aus – ein hohes, kläffendes Lachen, das den Hund aus seiner Verdauungstrance schreckte –, dann hob er den Kopf und betrachtete Marco von der Seite. »Na schön«, sagte er, »na schön, kalt erwischt. Okay, ich hab’s versiebt. Hab ein bißchen zuviel gesoffen, wißt ihr, und dann bin ich einfach – keine Ahnung, ich hab’s wohl, hab’s einfach vergessen ...«
    Allzuviel Trost fand er offenbar nicht in dem Blick, mit dem Marco ihn musterte, denn er ließ den Kopf wieder hängen und murmelte zu niemandem im besonderen: »Also bitte, dann hängt mich eben auf.«
    Ein Moment verstrich, alles starrte auf seinen gesenkten Wuschelkopf, auf die Ringe an den Fingern seiner rechten Hand – einer an jedem Finger, sogar am Daumen –, während er sich mit der langsamen, bebenden Unsicherheit des reuigen Sünders die kalte Reispampe in den Mund schaufelte. Freak kam unter dem Tisch hervor, reckte sich, gähnte und starrte auf irgend etwas, was sich jenseits der Wiese am Waldrand bewegte. Star saß stocksteif da. Ihr Gesicht war weiß, blutleer, fast völlig in sich zurückgezogen. Sie sah Ronnie mit einem Blick an, den Marco nicht recht zu deuten verstand – hatte sie Angst um ihn, konnte das sein? Oder war es Scham? Oder Scham und Ekel zugleich? Es überraschte ihn, als ihre Stimme die Stille durchbrach: »Also, dann gibst du allen ihr Geld wieder zurück, ja?«
    Ronnie nahm noch einen Schluck aus seinem Becher und zog wieder eine Grimasse. Er erinnerte an eine scharrende Katze in einer Mülltonne. »Verdammt, hat nicht irgendwer mal ’ne Coke? Oder wenigstens Pepsi? Mann, ich würde sogar ein Royal Crown trinken – das Zeug hier ist echt gallebitter .« Er warf Star einen Seitenblick zu, dann sah er auf seinen Teller hinunter. »Na ja, nicht direkt«, sagte er, worauf sofort ein zorniges Murmeln von einem Ende des Tisches zum anderen wogte. »Denn wißt ihr, das müßt ihr verstehen ... Ich hatte diese einmalige Gelegenheit – das Gras, also, ich meine das Gras, das Lester und Franklin geschmuggelt haben, und wo sollen wir schließlich was zum Kiffen herkriegen hier in Alaska? Außer dem, was wir selbst mithatten. Und deshalb dachte ich mir: Was brauchen wir am allermeisten, wo liegt der größte Bedarf? Und womit werden wir uns die langen, dunklen Nächte versüßen, die schneller hereinbrechen werden, als ihr jetzt denkt? Na? Gras, genau. Also hab ich eine Investition für uns alle getätigt.«
    »Du bist ein wahrer Altruist, Pan«, sagte Reba.
    Mendocino Bill hatte sich nicht wieder hingesetzt. Er stand immer noch am Ende des Tisches, die Muskeln seiner Schultern und Arme verfestigten sich, die schräg stehende Sonne ließ die fettigen Strähnen der im Fluß gewaschenen Haare aufblitzen. Er sah aus, als litte er Schmerzen. Sah aus, als hätte ihn jemand mit einem spitzen Stock irgendwohin gepikt. »Ach so ist das«, sagte er, und er knurrte es hervor, seine Stimme war heiser und rauh vor unterdrückter Wut, »da sprichst du wohl von dem Gras, das du mir heute früh für dreißig Mäuse die Packung verticken wolltest?«
    »Ach, scheiß doch auf dich!« gab Ronnie zurück, und jetzt stand er auch auf, versuchte seine Beine unter dem Tisch zu befreien, sehr ernsthaft und sehr zornig. »Ich meine, scheiß auf dich, du bescheuerter Fettsack!«
    Und Bill biß natürlich an, er kam um den Tisch herum, aufgetürmt und aufgeplustert, und ging auf Ronnie los wie der reinste Erdrutsch, und Marco rechnete eigentlich mit zwei, drei knappen Schlägen, dann würden sie die beiden trennen, und Ronnie könnte vergrämt in sein Zelt verschwinden, geprügelt und gedemütigt, aber bald danach würde er wiederkommen und etwas von seinem Gras für eine Friedenspfeife anbieten, nicht alles wahrscheinlich und sicher nicht einmal annähernd im Wert dessen, was er verjuxt hatte, aber am Ende des Abends wäre der Vorwurf halbwegs getilgt und der Sünder erlöst. Doch da irrte er sich. Denn ehe sich irgend etwas davon abspielen konnte, betrat Joe Bosky die Szene. Irgendwie gelang es ihm, hochzukommen und sich aus der Bank zu befreien, um rechtzeitig dazwischenzugehen, ehe Bill bei Ronnie war, der sich bereits gegen den ersten Schlag wappnete. Alle anderen sprangen jetzt gleichzeitig auf,

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